Kreis Segeberg darf Gasthöfen in der Corona-Krise nur indirekt helfen

Mit neun Ja-Stimmen und bei drei Enthaltungen wurde im Hauptausschuss des Kreises Segeberg am Donnerstagabend der SPD-Antrag für die Entlastung bei den Steuerberaterkosten dem Kreistag zur Zustimmung empfohlen, der am 3. Dezember tagt. 300.000 Euro will der Kreis ausgeben, mit ersten Raten schon in diesem Jahr. Damit sollen Corona-betroffene Betriebe gefördert werden, um ihren Steuerberater oder Juristen bezahlen zu können. Denn ohne deren Hilfe können Corona-Zuschüsse in der Regel nicht mehr beantragt werden. Mit Kosten von bis zu 3000 Euro pro Betrieb rechnet die SPD. Coronahilfe schwer zu beantragen: Lars Wrage, Leiter der Kreiswirtschaftsentwicklungsgesellschaft WKS, kannte bereits den Fall eines Unternehmens aus dem Veranstaltungsbereich. Dessen Steuerberater habe für die Hilfe beim Zuschussantrag 700 Euro haben wollen. Mangels Einnahmen habe der Unternehmer dies aber nicht bezahlen können. Lesen Sie auch: November-Hilfe soll endlich fließen Der Bund fordere deshalb die Expertise eines Steuerberaters, weil bei den Frühjahrshilfen zu Beginn der Epidemie wohl von manchem zu Unrecht Zuschussanträge gestellt worden seien. Solo-Unternehmer zögern mit Anträgen: Melanie Wellendorf von der Musik-Gaststätte Nah-Bar in Nahe freut sich über die sich abzeichnende Unterstützung. "Ich zahle 700 Euro an meinen Steuerberater - pro Zuschussantrag." Und es seien mehrere in diesem Jahr. Deshalb wäre die Förderung eine "sinnvolle Hilfe". Viele Solobetriebe trauten sich wegen dieser Hürde erst gar nicht, Anträge beim Bund zu stellen. Freuen würde sie sich auch über eine direkte Hilfe des Kreises. Ihr Betrieb sei seit März geschlossen. Zuschüsse vom Bund flössen mit Zeitverzug, und würden bei weitem nicht alle Kosten decken. Wohl nur noch bis Jahresende könne sie durchhalten. Dehoga wäre zufrieden: Auch Lutz Frank aus Bad Segeberg, Kreisvorsitzender des Hotel- und Gastronomieverbandes Dehoga, würde sich über Hilfe bei den Steuerberaterkosten freuen. Dass wohl keine direkten Betriebszuschüsse durch den Kreis möglich seien, "muss man akzeptieren". Er sei generell dankbar für die Bereitschaft des Kreises zu helfen. Die Idee für direkte Betriebszuschüsse hatte die CDU-Fraktion mit in den Kreishauptausschuss eingebracht. 750.000 Euro sollte der Kreis 2021 bereitstellen. Gefördert werden sollten Betreiber von Gasthöfen mit Saalbetrieb und mit Musik (Musikkneipen, Discos und Bars). Vielen Gaststätten drohe die Pleite: 30 Prozent von ihnen drohe die Pleite. Sie seien nicht nur Kulturstätten, sondern auch Treffpunkte mit sozialer Funktion. "Und sie können sich auch nicht mit Außer-Haus-Verkauf über Wasser halten", sagte CDU-Fraktionschef Torsten Kowitz. Bis zu 10.000 Euro sollten die Betriebe erhalten. Doch das wirft rechtliche Probleme auf, berichtete Landrat Jan Peter Schröder (parteilos). Der Kreis habe deshalb mit Wirtschaftsfachleuten und der Investitionsbank gesprochen. Das Ergebnis: Es gebe schon viel Förderung, "einen wahren Coronahilfe-Dschungel. Und es gibt keinen Fall, wo man nichts bekommt." EU hätte mitzureden: Es sei mithin keine Förderlücke vorhanden, die der Kreis rechtlich erlaubt stopfen dürfte, sagte Schröder. Selbst Kulturbetriebe und Soloselbstständige würden gefördert, etwa durch die "Überbrückungshilfen 3" des Bundes. Es dürfe auch keine Überförderung geben. Und nicht zuletzt sei eine direkte Kreishilfe formal nicht schnell umzusetzen. WKS-Chef Lutz Wrage wies wie Landrat Schröder darauf hin, dass das Beihilferecht berührt sei. "Einzelbetriebliche Förderung unterliegt der EU-Zustimmung. Das ist unstrittig." Solch ein Verfahren benötige Zeit, sagte Wrage. Im Übrigen seien die Gastwirte nicht vergessen worden bei den Coronahilfen, auch kulturelle Betriebe nicht. Manches sei allerdings kein Zuschuss, sondern ein Darlehen, etwa beim Mittelstandsicherungsfonds des Landes. Corona-Hilfe droht zu spät zu kommen: Gehandelt werden müsse aber jetzt, nicht später, mahnte Toni Köppen zur Eile, Fraktionsvorsitzender der WI-SE und frisch gewählter künftiger Bürgermeister von Bad Segeberg. Wenn wir untätig bleiben, haben wir zum Jahreswechsel manche Betriebe nicht mehr." Notfalls sollte der Kreis eine Sondersitzung seiner Gremien anberaumen. "Wir brauchen Drehzahl." FDP-Fraktionschef Klaus-Peter Schroeder bedauerte: "Wir wollen helfen." Darin seien sich die Fraktionen wohl einig. "Aber wir können nicht." Auch seien viele Fragen noch ungeklärt. Wie viele Betroffene gebe es, sei der Kreis der richtige Ansprechpartner, was sei mit ähnlichen Branchen. "Wir müssen nicht nur Landgasthöfe über Wasser halten." Ungerecht anderen Betrieben gegenüber: Heiko Evermann (AfD) hatte ähnliche Fragen. "Der Antrag ist erstaunlich unpräzise." Rainer Schuchardt (Freie Wähler) sah ein grundsätzliches Problem bei den zu fördernden Saalbetrieben. "Sie haben eine wichtige gesellschaftliche Funktion, die allerdings bei den Bürgern abnimmt. Die Betriebe hatten auch schon vor Corona Probleme." Arne Hansen (Grüne) gab zu bedenken, dass auch andere Betriebe gefördert werden müssten, in Kultur und in der Veranstaltungstechnik etwa. "Das wäre sonst ungerecht gegenüber den anderen." Erst mal vertagt: Kreisverwaltung und Politik wollen nun noch mal in sich gehen und in der nächsten Sitzung des Hauptausschusses am 1. Dezember erneut prüfen, ob doch noch etwas vom CDU-Antrag umsetzbar wäre.