Kreis ist gegen Corona-Massentest

"Wir wollten machen, was andere Landkreise auch machen", sagt Lenhard, und denkt dabei etwa Tübingen und den Kreis Rendsburg-Eckernförde. Er und sein rund 40-köpfiges Team wollten den Menschen unbeschwerte Weihnachtsbesuche ermöglichen. Ohne die Angst im Nacken, das Virus in die Familien einzuschleppen. Lenhard hat vor Augen, wie es im kirchlichen Altenheim Marienhof nahe seiner Praxis zugeht. Aus Sorge vor Kontakten hängen Angehörige ihre Weihnachtsgeschenke in den Baum, damit die Bewohner sie später von dort wegnehmen können. In Coronatestung viel Zeit und Geld investiert: Mit Apothekern der Stadt sei er deshalb auf die Idee gekommen, dass Bürger sich mit Schnelltests auf das Coronavirus prüfen lassen könnten. Die Organisation hätten die Event-Agentur Kalkberg-Konsorten übernommen, sagt Lenhard. In eine Buchungssoftware für die Abwicklung seien 25.000 Euro investiert worden. Geplant war, von Montag, 21. Dezember, bis Mittwoch, 23. Dezember, in der Turnhalle der Schule am Burgfeld an 20 Testpositionen insgesamt rund 300 Bürger pro Stunde zu testen. Bei positivem Testergebnis hätte sich sofort ein genauerer PCR-Test angeschlossen. Die Ergebnisse wären zeitnah eingetroffen. 35 Euro hätten die Bürger pro Test zahlen müssen. Kritik von Kreisgesundheitsamt : Das städtische Ordnungsamt habe keine Einwände gehabt. Das Kreisgesundheitsamt allerdings hat Alarm geschlagen. Es schickte über das Wochenende sogar eine warnende Pressemitteilung heraus. Der Tenor: Die Tests könnten falsch negativ oder falsch positiv anzeigen, und behinderten letztlich die Arbeit des Infektionsschutzes. Lesen Sie auch: Vor Weihnachten: Kostenlose Corona-Tests für junge Leute "Der Kreis kann und wird die Schnelltest-Aktion nicht verbieten", sagt Kreissprecherin Sabrina Müller. In einem Gespräch zwischen Kreis und Organisatoren sollen in dieser Woche die sachlichen Argumente ausgetauscht werden. Falls die Massentestung doch anlaufe, müssten die die Organisatoren dem Kreis ein mit der Landesverordnung konformes Hygienekonzept vorlegen können. Allerdings hofft der Kreis auf die Absage "und Einsicht bei den Verantwortlichen." Mehrere Gründe, die dagegen sprechen: Der Kreis führt mehrere Gründe an. Wer sich auf Corona testen lassen möchte, aber keine Symptome habe, für den sei ein Schnelltest nur bedingt geeignet, sagt Uwe Petry, Leiter des Kreisinfektionsschutzes. Sollte ein Getesteter infiziert sein, aber keine Symptome haben, falle der Schnelltest oftmals trotzdem negativ aus. Etwa dann, wenn sei die Virusmenge gering sei. Jemand kann also ansteckend sei, obwohl es der Schnelltest nicht anzeige, und wähne sich somit in einer falschen Sicherheit. Und selbst ein echtes negatives Ergebnis sei nur eine Momentaufnahme und schaffe eine trügerische und vermeintliche Sicherheit. Denn theoretisch könne eine Person bereits wenige Stunden später oder am nächsten Tag ansteckend sein, teilte der Kreis mit. Auch falsch-positiv: Schnelltests hätten aber auch umgekehrt "eine deutlich höhere Anfälligkeit für falsch-positive Ergebnisse als PCR-Tests", sagt Kreissprecherin Sabrina Müller. Deshalb müssten positive Schnelltest-Ergebnisse immer durch einen PCR-Test bestätigt werden. Bis das PCR-Ergebnis vorliege, sei die getestete Person rechtlich zunächst wie eine positive Person zu behandeln, müsse sich also absondern, sämtliche enge Kontaktpersonen in Quarantäne gehen und der Infektionsschutz einschreiten und ermitteln. Unbegründet in Corona-Quarantäne: "Wir haben bereits häufiger die Erfahrung gemacht, dass auf ein positives Schnelltest-Ergebnis ein negatives PCR-Test-Ergebnis folgt", sagt Uwe Petry. Der Schnelltest habe also ein falsches Ergebnis angezeigt und die getestete Person sowie ihre Kontaktpersonen waren nicht infiziert und somit unbegründet in Quarantäne. "Vor allem an und über Weihnachten möchte das vermutlich niemand sein, zumal nicht immer davon ausgegangen werden kann, dass die Labore über Weihnachten in voller Personalstärke arbeiten und der PCR-Test überhaupt ausgewertet wird." Nicht zuletzt würde der Kreis stark eingespannt. "Für die Mitarbeiter des Infektionsschutzes würde durch eine vorhersehbare Häufung an falsch-positiven Testergebnissen naturgemäß ein Mehraufwand entstehen, der personelle Ressourcen bindet, die dann an anderer wichtiger Stelle fehlen würden", sagt Sabrina Müller. Viel Folgearbeit für den Kreis: Die Organisatoren der Aktion würden zwar sagen, dem Infektionsschutz helfen zu wollen, in dem sie den Personen die Testergebnisse selbst mitteilen. Doch damit sei die Arbeit für die Mitarbeiter des Kreises noch lange nicht erledigt. Es folgen laut Müller "telefonische Kontaktaufnahme, Aussprechen der Quarantäne für die Betroffenen und Familienmitglieder (was darf rechtlich nur die Behörde dürfe), schriftliche Verfügung, Kontrollanrufe und Aufheben der Isolierung." Auch das Gesundheitsministerium des Landes rate auf Basis von Empfehlungen des staatlichen Robert-Koch-Instituts davon ab, vorbeugend flächendeckend zu testen. Denn die Aussagekraft sei begrenzt. Der Kreis sehe es wie das Gesundheitsministerium: Ohne Anlass zu testen, berge Risiken. Nicht gegen Widerstand durchsetzen: Lenhard wollte am Montagabend noch mal mit seinem Team sprechen. Er bedauert die Haltung des Kreises Segeberg, akzeptiert sie aber. "Wir wollen das nicht gegen Widerstand der Behörden oder Politik durchziehen, sondern im Einklang mit den Behörden. Der Kreis hat eine andere Teststrategie." Bei den Schnelltests gebe es im Übrigen statistisch gesehen nur ganz wenige Falschergebnisse. Und falsch negativ nur, wenn die Viruslast der Testperson ohnehin sehr gering sei. "Ein bisschen traurig": "Ein bisschen traurig sind wir alle", sagt Lenhard, "und endgültig ganz verstehen können wir die Haltung des Kreises nicht." Er und sein Team hätten gerne dazu beigetragen, dass die Menschen beruhigter ins Weihnachtsfest gehen könnten. Denn die Verunsicherung sei groß. Das merke er auch in seiner Praxis. "Viele Patienten, vor allem die älteren, haben Angst. Sie warten lieber vor der Tür, nicht in der Praxis." Unterdessen rät Landrat Jan Peter Schröder den Bürgern statt zu Schnelltests dazu, Kontakte zu meiden. "Eine Seuche pausiert nicht zu den Feiertagen, weswegen jeder sich fragen sollte, welche Treffen sein müssen. Vielleicht ist Abstand das beste Geschenk, dass wir einander machen können."

Kreis gegen Privat-Aktion - Corona-Massentest in Segeberg fraglich