Traventhal verklagt Land wegen Windkraft

Profitieren würden auch Nachbarorte wie Klein Gladebrügge. Deshalb waren Traventhals Bürgermeister Udo Bardowicks und Planer Stefan Hobein von der Firma Lorica zur Gemeindevertretersitzung in der Reithalle von Klein Gladebrügges Bürgermeister Volker Göttsche gekommen. Die acht Gemeindevertreter und eine Handvoll Bürger nahmen die Ideen zum Wärmenetz 4.0 mit Wohlwollen auf. Das Vorhaben steht und fällt allerdings mit der Frage, ob der Flächennutzungsplan der Gemeinde Traventhal vom Land genehmigt wird oder werden muss. Er ermöglicht die sogenannte Sektorenkopplung, mit Solarthermie, Strohvergärung, Wärmespeichern und sieben Windkraftanlagen. In dieser Woche erst hatte das Land seinen neuen Entwurf für Vorrangflächen für den Bau von Windkraftanlagen veröffentlicht, ohne die Traventhaler Flächen. Mindestabstand gering, aber Masten nicht so hoch: "Uns wurde vorgeworfen, wir hielten den jetzt geltenden 1000-Meter Abstand zur nächsten Bebauung nicht ein", sagte Planer Hobein. Richtig sei, dass es nur bis zu 800 Metern seien. Im Gegenzug seien aber auch nur 180 Meter hohe Anlagen geplant, und nicht 243 Meter hohe, wie sie in Vorranggebieten denkbar wären. Damit wären die Traventhaler Anlagen am Horizont weniger auffällig. Lesen Sie auch: Land hat Zweifel an Ökoprojekt Am meisten ärgert ihn ein Spruch, den er sich im Innenministerium habe anhören müssen: "In Schleswig-Holstein plant nur einer, und das sind wir!" Dabei habe Traventhal einen rechtmäßig entstandenen Flächennutzungsplan verabschiedet, wodurch der überplante Bereich rechtlich zum Innenbereich gehöre. Der Regionalplan des Landes, der den Außenbereich regele, habe also damit nichts zu tun. Land schickte Untersagung: "In letzter Sekunde hat uns das Innenministerium eine Untersagungsverfügung für den F-Plan zugesandt", erklärten Hobein und Bürgermeister Udo Bardowicks aus Traventhal. "Dagegen haben wir heute beim Verwaltungsgericht in Schleswig Klage eingereicht, weil das Land nicht in die Planungshoheit der Gemeinden eingreifen darf." Beide wiesen darauf hin, dass man für die Machbarkeitsstudie des Ökoprojekts 170.000 Euro an Fördergeldern vom Bundeswirtschaftsministerium erhalten habe und weitere 9,1 Millionen Euro für den Bau in Aussicht stünden. Von den Dänen abgekupfert: Profitieren würde auch Klein Gladebrügge, warb Hobein. Ziel sei, bei der Energieproduktion kein klimaschädliches Kohlendioxid zu erzeugen. Deshalb soll an der Grenze beider Dörfer das Sektorenkopplungskraftwerk errichtet werden. Auch das südliche Gewerbegebiet von Bad Segeberg soll mit Wärme versorgt werden. "Die Idee ist nicht neu, die haben wir von den Dänen abgekupfert", verriet Hobein. Dort gebe es schon seit 20 Jahren solche Sektorenkopplungsanlagen. "Und da reden wir nicht von 20 Einfamilienhäusern und einem Schweinestall", erklärte er drastisch. So werde die Stadt Marstal mit 8000 Einwohnern und 12.000 Touristen versorgt. Energie aus drei Gebieten: Die Energie stamme aus drei Säulen. Solarthermieflächen erzeugen aus Sonnenstrahlung Wärme, eine Strohvergärungsanlage Wärme und Strom, und sieben Windräder nur Strom. Strom und Wärme würden dann an Verbraucher weitergegeben. Mittelpunkt des Werkes sei ein riesiges Erdwasserbecken in den Ausmaßen von 100 mal 100 Metern und 16 Metern Tiefe. "So große Wassermengen wirken wie eine Thermoskanne und verlieren kaum Energie an die Umgebung", sagte Hobein. Daher könne Sonnenenergie, die im Sommer im Überfluss produziert werde, bis in den Winter, wenn sie gebraucht werde, gespeichert werden. Bis auf 95 Grad Celsius könne das Wasser aufgeheizt werden und verliere höchstens zwei Grad pro Woche. Strohvergärung nutzen: Aber auch im Winter würde das Becken erwärmt, etwa durch die Strohvergärung aus Ernteabfällen in einem geschlossenen Behälter. Mithilfe von Tiefseebakterien wird zunächst Methangas erzeugt und in Wärme und Strom umgewandelt. Eine Tonne Stroh entspreche rund 400 Litern Heizöl, und auf einem Hektar Getreide fallen etwa fünf Tonnen Stroh an. "Die werden zurzeit nicht genutzt, sondern nur untergepflügt", sagte Hobein. Das Restsubstrat könne wieder auf die Äcker ausgebracht werden. Der Humushaushalt bliebe also auf dem Feld erhalten. Im Gegensatz zu den gängigen Biogasanlagen müsste hier kein zusätzlicher Mais angebaut werden. Wind ist beste Energiequelle: Wind wäre immer noch die billigste Energiequelle, sagte Hobein. Sieben Anlagen seien geplant, die zusammen knapp 30 Megawatt Leistung erzeugen könnten. Aus rechtlichen Gründen müsse der Strom ins öffentliche Netz eingespeist werden. Wenn dieses aber nicht mehr aufnahmefähig ist, weil zu viel Wind weht, müssten normale Windkraftanlagen abgeschaltet werden und der Bürger zahle indirekt für den nicht erzeugten Strom, so Hobein. Im Traventhaler Fall dagegen würden die Windmühlen auf einen gigantischen Tauchsieder geschaltet, der damit das Wasserbecken erhitzt, warb er. Die Klein Gladebrügger würden profitieren, würden bei der Fernwärme Tausende Euro sparen gegenüber Öl- und Gasheizungen. Viele Kosten fallen für Hausbesitzer weg: Anschlusskosten würden in der Regel nicht entstehen, auch Schornsteinfeger und Wartungskosten für eine Heizung fielen weg. In Traventhal gebe es viel positive Resonanz bei den Bürgern. Hobein möchte gern auch bei den Klein Gladebrügger Bürgern mit einem Fragebogen deren Interesse ausloten. Die Klein Gladebrügger Gemeindevertreter wollen nun weiter darüber beraten. Je mehr mitmachen, desto billiger wird es für jeden Einzelnen, warb Planer Hobein. "Wenn alles klappt und das Verwaltungsgericht in unserem Sinne entscheidet, könnten wir im ersten Quartal 2023 mit der Wärmelieferung beginnen." Weitere Nachrichten aus dem Kreis Segeberg lesen Sie hier.

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