Da steht er: kraftvoll, erhobenen Hauptes mit tiefer Stimme. So wie es sich für Winnetou, den zukünftigen Häuptling der Apachen, gehört: „Ihr sollt die Finger von Nscho-tschi lassen.“ „Wer sagt das“, fragt Bösewicht Santer. „Winnetou, Sohn des Apachen-Häuptlings. Wenn der weiße Mann noch einmal wagt, meine Schwester zu bedrohen, ist er des Todes.“ — Der erste Auftritt für Jan Sosniok in der Rolle des Winnetou bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg ist geglückt. Die Zuschauer würdigen „Winnetou I - Blutsbrüder“ mit reichlich Applaus und viel Lob, trotz Dauerregens bei der Premiere am Samstagabend in Bad Segeberg.
Kein leichtes Erbe hatte der 45-jährige einstige „GZSZ“- und „Berlin, Berlin“-Star am Kalkberg angetreten: Vor Sosniok war sechs Spielzeiten lang Erol Sander ein beliebter Winnetou. Dreimal in Folge hatte das Freilichtspektakel mit ihm von 2009 bis 2011 die Marke von 300 000 Besuchern übersprungen und 2009 mit dem Kult-Stück „Der Schatz im Silbersee“ sogar den 18 Jahre alten Rekord von „Winnetou“-Darsteller Pierre Brice gebrochen. Die Erwartungen an Sosniok waren also groß. Doch er konnte die mehr als 7000 Premierengäste mit seiner inbrünstigen Darstellung in seinen Bann ziehen.
Ebenso wie Wayne Carpendale, der als smarter Old Shatterhand auftrat. Elegant ritt er durch die Open-Air-Arena und versuchte das Herz von Winnetous Schwester Nscho-tschi zu erobern. „Du hast mir Mut gegeben — und Kraft“, richtet er seine Worte an Sophie Wepper, in der Rolle der jungen Indianerin. Als Gaststar konnte sie kaum gegen ihre beiden männlichen Kollegen anspielen. Zu schüchtern und zaghaft wirkte sie.
In dem Western-Klassiker schließen der Landvermesser Old Shatterhand und der edle Indianer Blutsbrüderschaft. Sie kämpfen „Seite an Seite“ gegen die Bleichgesichter, die eine Eisenbahnstrecke durch das Indianerland bauen wollen. Dabei verlieben sich Old Shatterhand und Winnetous Schwester Nscho-tschi ineinander. Viele Darsteller sind dem Bad Segeberger Publikum sehr gut bekannt: Der 73 Jahre alte Gojko Mitic kehrte nun als Häuptling Intschu-tschuna zurück. Er gab einst 15 Jahre lang den Winnetou. Wohl deshalb heißt es auch in seiner ersten Szene: „Es ist gut, an dem Ort zu sein, an dem sein Herz schlägt.“ Jubel ertönt im Publikum.
Auch Carpendale hatte bereits vor zehn Jahren eine Saison den Old Surehand am Kalkberg gespielt. Sein Vorgänger als Old Shatterhand, Joshy Peters, übernimmt in diesem Jahr die Rolle des Bösewichts Santer. Neben den sprechenden Hauptakteuren sind natürlich die Tiere nicht zu vergessen: 25 Pferde, ein Bussard, ein Adler und zwei Hühner.
Die rasanten Ritte und sympathischen Darsteller gefielen dem Premierenpublikum. Die Actionfans waren in der Inszenierung von Regisseur Norbert Schultze jr. besonders von einer waghalsigen Szene auf der 20 Meter langen Hängebrücke und den zahlreichen Explosionen angetan. Rund 200 000 Euro wurden in das Bühnenbild investiert, das unter anderem ein Apachenpueblo und ein Eisenbahnerlager mit Westernzug zeigt.
Unter den prominenten Gästen waren die Väter der Darsteller, Sänger Howard Carpendale und Schauspieler Fritz Wepper, sowie die „Tagesschau“-Sprecher Jan Hofer und Judith Rakers. Rakers bestätigte als passionierte Reiterin das Talent von Sosniok: „Beachtlich, dass er erst für die Rolle reiten lernte“, sagte die 37-Jährige.
Auch der Hauptdarsteller selbst freut sich über die gelungene Premiere: „Mit dem Gefühl, das ich heute nach der Premiere habe, würde ich sagen, dass ich gern im nächsten Jahr wieder mit dabei wäre“, sagte Sosniok. Und es sei schön, Wayne Carpendale an seiner Seite zu haben — ein echtes Traumduo, vielleicht dann auch in der kommenden Spielsaison. „Die Qualität der Schauspieler ist wieder super“, heißt es zumindest unter den Premierengästen.
Insgesamt rund 80 Mitwirkende vor und hinter den Kulissen bringen die 4,1 Millionen Euro teure Produktion „Winnetou I — Blutsbrüder“ bis zum 1. September immer von Donnerstag bis Sonntag auf die Bühne.