Stadt Kaltenkirchen hat erstmals eigene Leitlinien

Der Weg dorthin war lang und – zumindest auf den letzten Metern – nicht ganz reibungsfrei. Am Ende stimmte in der vergangenen Stadtvertretersitzung eine Mehrheit für die Leitlinien, die von allen Fraktionen, jeweils einem Vertreter des Seniorenbeirats und der Jugendstadtvertretung sowie einigen fraktionslosen Bürgern, sogenannte „Joker“, erarbeitet wurden. Die Fraktion der Wählergemeinschaft Pro-Kaki enthielt sich bei der Abstimmung, die AfD lehnte die Leitlinien ab. Großer Workshop im September: Bereits im November 2018 hatte die Stadtvertretung beschlossen, mit einer externen Moderation Ziele und Grundsätze zu entwickeln. Leitlinien sind in der Gemeindeordnung vorgesehen, viele Kommunen haben sie, andere aber noch nicht. Kaltenkirchen hat sich nach der letzten Kommunalwahl nun erstmals auch dazu entschlossen. Im vergangenen September gab es einen großen Workshop, bei dem Ideen und Anregungen zu sieben Gestaltungsfeldern gesammelt wurden. Die Ergebnisse wurden im Oktober von einer Redaktionsgruppe aufbereitet, Ende Januar lag das fertige Endprodukt vor. Wolfgang Lerche vom Kompetenzzentrum für Verwaltungs-Management (KOMMA) moderierte den Prozess und war federführend bei der schriftlichen Ausarbeitung. Auf der Stadtvertretersitzung sagte er: „Ich bin stolz auf das Ergebnis, ich gebe damit sogar an.“ Die Arbeit mit den Stadtvertretern habe ihm sehr viel Spaß gemacht. Pro-Kaki kritisiert das Papier scharf: Doch nicht alle waren mit dem Ergebnis zufrieden. Thies Rickert (Pro-Kaki) ließ bereits auf der Hauptausschusssitzung, auf der die Leitlinien zum ersten Mal vorgestellt wurden, kaum ein gutes Haar an dem Papier. „Die Redaktionsgruppe hat keine gute Arbeit geleistet, Ziele sind verloren gegangen, Bildung taucht gar nicht erst auf.“ Auch orthographisch sei das eine schlechte Arbeit, der er auf keinen Fall zustimmen kann. Am liebsten würde er den ganzen Prozess noch einmal von vorne beginnen. Sein Fraktionssprecher Reinhard Bundschuh wollte seinem Kollegen nicht widersprechen, auch ihm fehle in dem Papier einiges: „Es ist eben der kleinste gemeinsame Nenner, es sind nur Leitlinien, keine Ziele und Grundsätze“, so Bundschuh. Er werde aber nicht gegen das Papier stimmen. Eine Woche später, auf der Stadtvertretersitzung, enthielt sich die gesamte Fraktion bei der Abstimmung. AfD wollte einige Punkte ändern: In einigen Punkten unzufrieden, reichte die AfD-Fraktion noch einen Änderungsantrag ein, der allerdings von allen anderen Fraktionen in Hauptausschuss und Stadtvertretung abgelehnt wurde. „Wir kritisieren nicht die Redaktionsgruppe, es muss auch nicht alles neu aufgerollt werden. Nur mit einigen Punkten können wir nicht leben“, so Julian Flak. Er kritisierte unter anderem, dass im Passus Verkehr nur die Bedingungen für Fußgänger und Radfahrer bei den Ausbauzielen berücksichtigt werden, die Autofahrer aber nicht. Er nennt das „eine einseitige Fokussierung auf vermeintlichen Klimaschutz. Derlei Weltrettungsphantasien gehören aber nicht in kommunale Leitlinien.“ Außerdem kritisierte die AfD, dass laut Leitlinien „alle“ Menschen an politischen Prozessen beteiligt werden. Das „alle“ sollte gestrichen werden mit der Begründung: „Die Kommunalpolitik wird in erster Linie von Staatsbürgern aus Deutschland und der EU gestaltet, die in Kaltenkirchen wohnen. Ausschließlich im Bereich der politischen Beteiligung wäre hier eine Änderung geboten.“ CDU, FDP und SPD sind zufrieden: In der Stadtvertretung kam es nach der ausgeführten Kritik fast noch zu einem Eklat, als Thies Rickert dem AfD-Mann Flak „den Anschein der Ausländerfeindlichkeit“ vorwarf. Das kam bei ihm überhaupt nicht gut an, er reagierte mit einer Pressemitteilung, in der steht: „Herr Rickert und die Fraktion Pro-Kaki zeigen mit ihren bornierten Angriffen einmal mehr, dass sie unseren Argumenten inhaltlich nichts entgegenzusetzen haben.“ Doch neben den zwei Fraktionen gab es mehrheitlich Befürworter, die sich darauf einigten, das Papier als „größten gemeinsamen Nenner“ zu bezeichnen. „Die Leitlinien gelten für die Verwaltung und die Selbstverwaltung, ich finde sie gut. Es ist ein Kompromiss im positiven Sinn“, sagt Hauke von Essen, CDU-Fraktionssprecher. „Die Fraktionen haben gut zusammengearbeitet, das ist nicht selbstverständlich“, sagt SPD-Fraktionssprecher Bernd Schädler: „Wir mussten aufpassen, dass die Leitlinien nicht ins Politische rutschen. Wir haben Ziele gefunden, die wir alle mittragen können.“ Katharina Loedige (FDP) versteht die Kritik nicht: „Es ist schade, jetzt einen Rundumschlag zu machen. Da steckt viel ehrenamtliche Arbeit drin.“ Den Auftrag sehe sie erfüllt. Die Leitlinien sind für die Kommunalpolitiker zwar nicht bindend, sollten aber als Orientierung bei allen politische Entscheidungen genutzt werden. Einsehbar ist es ab sofort auf der Homepage der Stadt www.kaltenkirchen.de. Mehr aus der Region lesen Sie hier

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