Stadt Wahlstedt plant ein kommunales Medizinisches Versorgungszentrum

Eines steht schon jetzt fest: Das Engagement wird für Wahlstedt richtig teuer. "Es ist ein starkes Zeichen der Politik", urteilt Bürgermeister Matthias Bonse, der die Initiative gemeinsam mit Bürgervorsteher Horst Kornelius gestern vorstellte. So summierten sich allein die Anlaufkosten auf rund eine Million Euro. "Und da ist der Bau noch gar nicht mit drin." Auch gehe man davon aus, dass aus dem städtischen Haushalt zumindest in den ersten zwei bis drei Jahren einige hunderttausend Euro an Zuschüssen fließen werden, ergänzt Kornelius. "Einige von uns hatten bei der Abstimmung deshalb auch kräftig Bauchschmerzen", schildert er die Debatte, die am Montagabend hinter verschlossenen Türen stattfand. GmbH mit Stadt als alleiniger Gesellschafterin: Grundlage des Konzeptes ist eine klassische GmbH, an der die Stadt zunächst 100 Prozent der Anteile halten wird. "Sollten später Ärzte oder andere private Betreiber einsteigen wollen, könnte man selbstverständlich über einen Verkauf der Gesellschaft reden", erläutert der Bürgermeister. Erst einmal solle Medizinern, die entweder neu nach Wahlstedt kommen oder die ihre bereits bestehenden Praxen innerhalb der Stadt dorthin verlegen möchten, eine komplette Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden – eine Art Rundum-Sorglos-Paket. Viele junge Ärzte scheuen das Risiko: Denn eines habe die Erfahrung während der langen, am Ende meist erfolglosen Suche nach Nachfolgern für die örtlichen Hausärzte gelehrt: Viele Allgemeinmediziner scheuten gerade im eher ländlichen Bereich das wirtschaftliche Risiko, eine Praxis eigenverantwortlich zu übernehmen, meint der Bürgervorsteher. Rund 70 Prozent der Uni-Absolventen seien zudem Frauen, die in der Mehrzahl besonderen Wert auf eine ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Familie legten. "In unserem MZV können sie dann zu 100 Prozent Ärztin sein", lockt Kornelius. Zentrum steht auch Fachärzten offen: Für die kommunale GmbH würde die Stadt zu gegebener Zeit einen eigenen Geschäftsführer ernennen, der dann auch die Verträge machen soll, erläutert Bonse. "Viele Ärzte möchten inzwischen lieber angestellt sein und feste Dienstzeiten haben", hat der Bürgermeister beobachtet. Offen stehen werde das neue Versorgungszentrum natürlich auch Fachärzten. "Wer Interesse hat, kann sich melden.2 Standortfrage noch zu klären: Zu klären ist zuvor allerdings noch eine zentrale Frage: die nach dem Standort. Man habe mehrere Optionen im Augen, berichtet Horst Kornelius. Ins Detail gehen wollten er und Bonse allerdings noch nicht. Dass das Gelände an der Waldstraße, wo sich unter anderem das MZV der Praxis Armbrust und das Mediohaus mit der Wald-Apotheke befinden, eine durchaus geeignete Wahl wäre, liege aber auf der Hand. Denn auch wenn mit dem kommunalen Angebot in erster Linie neue, möglichst jüngere Ärzte nach Wahlstedt geholt werden sollen, so befinde man sich natürlich längst in Gesprächen mit den ortsansässigen Medizinern. Dort sei gerade einiges in Bewegung – und das sei auf Sicht eher beunruhigend, meinen Bonse und Kornelius. Der langjährige Hausarzt Rolf Scheuer ist in Ruhestand gegangen, und auch Michael Orlowski und Holger Damaschke, ebenfalls längst im entsprechenden Alter, wünschen sich für ihre Gemeinschaftspraxis schon lange einen Nachfolger. Ärztegenossenschaft Nord mit im Boot: Eingebunden in das Projekt ist neben dem Kreis Segeberg, der selbst ein Förderprogramm aufgelegt hat, auch die Ärztegenossenschaft Nord, die von der Stadtvertretung im Rahmen einer 2018 angeschobenen Machbarkeitsanalyse nun den Auftrag erhalten hat, einen Businessplan zu erstellen und die Verträge später unterschriftsreif zu machen. Die Leitung eines Medizinischen Versorgungszentrums, so der Bürgermeister, müsse zudem immer bei einem Arzt liegen. "Und der muss dort selbst als angestellter Arzt oder Vertragsarzt tätig sein." Auch eine Verpflichtung auf mindestens zwei Jahre sei nicht verhandelbar. Gewerbesteuer trotz Corona stabil: Klar ist Bonse und Kornelius bei alldem natürlich eines: Wenn die Politik für ihr kommunales Engagement derart viel Geld in die Hand nimmt, dann wird an anderer Stelle etwas fehlen. Dass die Wahlstedter sich ausgerechnet in einer Zeit, in der überall die öffentlichen Haushalte auseinander fliegen, für ein solches Engagement entscheiden, hat auch mit der gewerblichen Struktur zu tun. "Wir sind nun mal eine Industriestadt", erklärt der Bürgermeister. Von den Problemen etwa in den Bereichen Tourismus und Hotellerie bleibe man daher verschont. Er rechne aktuell nicht mit einem Einbruch der Gewerbesteuer; die jüngste Berechnung habe bei rund 3,8 Millionen Euro gelegen. "Unsere großen Unternehmen kommen gut durch die Krise." Dessen ungeachtet werden natürlich alle freiwilligen Leistungen der Stadt auf den Prüfstand kommen, kündigt der Bürgervorsteher an. Konkret im Auge habe man allerdings noch nichts. Der Haushalt sei solide. Doch wenn die Stadt mittelfristig das Ziel verfolge, über die 10000-Einwohner-Grenze zu kommen, und dazu auch Wohngebiete erschließe, dann sei eine schwache Hausarzt-Versorgung ein nicht zu unterschätzender Nachteil. Weitere Nachrichten aus dem Kreis Segeberg lesen Sie hier.

Um Hausärzte anzulocken - Kommunales Versorgungszentrum geplant