Therapie nach Schlaganfall: Spielerisch zu mehr Kraft und Beweglichkeit

Im Sommer 2013 veränderte sich das Leben von Wilco Saul von einem auf den anderen Tag durch einen Schlaganfall. Auch sieben Jahre später kämpft der heute 41-Jährige damit, seine Sprache und Beweglichkeit wiederzuerlangen. Bei Therapeutin Milena Kruse arbeitet Saul nun mit sensorgesteuerten Geräten. Das Training erinnert teilweise an Computerspiele, die auf Körperbewegung reagieren. Der Vorteil: Durch die Technik werden auch kleine Erfolge bei Kraft- und Beweglichkeitsverbesserungen darstellbar – das erhöht die Motivation. Spielsteuerung mit Griffkraft: Sauls Blick ist konzentriert auf den Monitor vor ihm gerichtet. Auf dem Bildschirm sind Bäume zu sehen, an denen Äpfel reifen und herunterfallen. Saul soll die virtuellen Äpfel auffangen mit einem Korb. Den steuert er mit seiner Griffkraft. In der rechten Hand hält Saul einen Sensor, ähnlich wie ein Joystick. Je fester Saul drückt, desto weiter bewegt sich der Korb nach links zum dritten Baum. Lässt er den Griff etwas lockerer, wandert das Körbchen zurück in die Mitte des Bildschirms zum zweiten Baum und zum ersten am rechten Bildrand. Belohnung im Spiel lässt Anstrengung vergessen: Je nach Spiellevel fallen die Äpfel schneller, entsprechend muss auch Saul reagieren und seine Handkraft dosieren. Fast zwei Minuten im Spiel, lässt Sauls Kraft merklich nach. "Den will ich noch", sagt Saul knurrend und mobilisiert nochmal alle Energie in der Hand, um den Korb ein letztes Mal bis zum linken Rand zu schieben. Geschafft! Therapeutin Milena Kruse ist begeistert. "Durch das Spiel vergessen die Patienten Anstrengung und Schmerz." Die Aussicht auf eine Belohnung im Spiel motiviert. Sie sind abgelenkt, konzentrieren sich nicht auf das, was vielleicht nicht möglich ist – wie es manchmal bei herkömmlichen Übungen ist. "Pablo" heißt das System, mit dem die Ergotherapiepraxis Christine Müller in Bad Segeberg seit diesem Jahr arbeitet. Die Praxis ist spezialisiert auf Handtherapie. Schlaganfall vor sieben Jahren: Nach seinem Schlaganfall vor sieben Jahren konnte Saul zunächst nicht gehen oder sprechen. Er musste alles neu lernen. Lesen Sie auch: Nach OP oder Schlaganfall - langes Warten auf Therapeuten "Sprechen ist schon viel besser", sagt Saul. Doch es ist ihm noch zu wenig. Ganze Sätze zu bilden fällt dem Klein Rönnauer schwer. Wenn sein Gesprächspartner nicht versteht, was er mit seinen Worten sagen will, frustriert ihn das sichtlich. Von der Krankenkasse wünscht er sich mehr Unterstützung im Therapiebereich. Zumindest aber bei der Bewegungsförderung bekommt er regelmäßiges Training. Dreimal die Woche. Seit 2014 ist er in der Praxis. "Ich gehöre zum Inventar", scherzt er. Das Training mit dem neuen Gerät motiviere ihn noch mehr, sagt Saul, der darauf hofft, doch nochmal in seinen Beruf als Metallbaumeister zurückzukehren. Sensor-gestütztes Training misst jeden Erfolg: Doch die Beweglichkeit seiner rechten Körperhälfte ist nicht mehr die von früher. Vor dem Schlaganfall war Saul Rechtshänder. Nun schreibt und arbeitet er mit links. Die Mobilität und Kraft auf der rechten Seite aber soll weiter gestärkt werden. Und es gibt Fortschritte. "Pablo" beweist es. Die Übungsergebnisse aller zurückliegenden Sitzungen werden gespeichert. Damit seien kleinste Verbesserungen messbar, die mit herkömmlichen Methoden nicht ohne Weiteres erkennbar sind, sagt Therapeutin Kruse und schaut in die Daten: Binnen zwei Monaten ist Sauls maximale Griffkraft in seiner rechten Hand von 13 auf mehr als 16,5 Kilo gestiegen. Training in ambulanter Praxis: Über eine Schulung in robotikgestützter Therapie ist Milena Kruse auf das Gerät aufmerksam geworden. Diese Art von Therapie sei die Zukunft. In Rehakliniken komme dies schon häufig zum Einsatz. Bei der weiteren ambulanten Betreuung könnten viele Praxen das dann nicht mehr anbieten. In Bad Segeberg bei der Ergotherapiepraxis Christine Müller geht das nun. Auch in Zeiten von Corona, in der möglichst Abstand gehalten werden soll. Durch die Arbeit des Patienten mit dem Gerät ist der körperliche Kontakt zwischen Therapeut und Patient stark verringert. Steuerung mit dem ganzen Körper: Die Sensor-gestützte Therapie lasse sich vielfältig einsetzen, sagt Milena Kruse. Es gehe nicht nur um Kraft. Die Spiele des Programms, von denen es mehr als ein Dutzend gibt, können auch über Bewegung von Arm, Hand oder auch den Beinen gesteuert werden. Je nachdem, welches Gerät an welcher Stelle zum Einsatz kommt. Mit einem Ball, der mit der aufgelegten Hand nach vorn, zurück und zu den Seiten gedreht wird, lässt sich zum Beispiel ein Balancespiel auf dem Bildschirm steuern. Die Handbewegung kippt ein virtuelles Brett, auf dem eine Kugel balanciert wird. Je nach Neigung rollt die Kugel über den Bildschirm und sammelt Sterne ein, die bringen Punkte. So wird die Beweglichkeit im Handgelenk spielend trainiert. "Es macht einfach Spaß", sagt Saul. Die Zeit vergehe wie im Flug. Training nicht nur für Schlaganfall-Patienten: Die Freude am Spiel ist dabei keine Frage des Alters. "Ich habe hier auch schon Senioren gehabt, die ganz begeistert mitgemacht haben", sagt Milena Kruse. Die Arbeit mit dem Therapiegerät sei nicht nur für die Behandlung von Schlaganfall-Patienten geeignet, sondern bei vielen Erkrankungen mit motorischen Störungen, etwa Parkinson. Auch für Demenzpatienten mit kognitiven Einschränkungen sei es einsetzbar, sagt Kruse. Oder bei der Arbeit mit Kindern zur Förderung der Konzentration. Nötig sei für die Behandlung eine Ergotherapie-Verordnung vom Facharzt. Newsletter der Kieler Nachrichten Kennen Sie schon die Post aus dem Newsroom? Den kostenfreien Newsletter der Kieler Nachrichten versenden wir Mo-Fr ab 17 Uhr. Hier können Sie sich für unser Mailing anmelden. Sie interessieren sich für Holstein Kiel? Dann melden Sie sich hier für den Newsletter " Holstein Kiel - Die Woche " kostenfrei an. Versand: jeden Freitag, 11.30 Uhr. Lesen Sie auch: Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein So viele bestätigte Corona-Fälle gibt es in Schleswig-Holstein Die Lockerungen seit dem 20.4 im Detail Corona: Shopping mit Mundschutz So geht der Ostseepark mit den Corona-Regeln um Kommentar: Kleine Schritte zur Einkaufsfreiheit in Coronakrise Zweitwohnungen: Kompetenzstreit zwischen Land und Kreisen KN-Bühne: Diese Künstler aus der Region treten vom 21. bis 26. April auf Kiels OB Kämpfer fordert von Bund klarere Regeln zum Corona-Umgang Ministerpräsident bittet in Coronakrise um Geduld Ambulante Pflegedienste brauchen Schutzausrüstung Preis für Drogen steigt in Krise: Kalter Entzug für Süchtige Coronakrise: Sehnsucht nach der großen Leinwand Alltagsmasken: Das müssen Sie beachten Masseninfektion in Pflegeheim in Stormarn: sechs Tote Durch Corona: Betrug im Online-Handel nimmt zu Heinold: „Sparprogramme wären das falsche Signal“ Abi-Prüfungen beginnen unter strengen Auflagen Kommentar: Sonnabendunterricht auf Zeit macht Sinn Diese Strafen sieht der Bußgeldkatalog in SH vor Besser geschützt: 15 Tipps für Senioren in der Corona-Krise Schutz vor Corona: Diese Desinfektionsmittel wirken Coronavirus: Was passiert bei einer Quarantäne Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. Diese Künstler standen schon auf der KN-Bühne - zu den Videos: Dienstag, 24. März 2020: Bauchredner Jörg Jará auf der KN-Bühne Mittwoch, 25. März 2020: Musiker Marc Breitfelder auf der KN-Bühne Donnerstag, 26. März 2020: Schauspielerin Anke Pfletschinger auf der KN-Bühne Freitag, 27. März 2020: Musiker Brendan Lewes auf der KN-Bühne Sonnabend, 27. März 2020: Poetry-Slamer Florian Hacke auf der KN-Bühne Sonntag, 28. März 2020: Kinderliedermacher Matthias Meyer-Göllner auf der KN-Bühne Dienstag, 31. März 2020: Schauspieler Lasse Wagner auf der KN-Bühne Mittwoch, 1. April 2020: Sänger Reiner Bublitz auf der KN-Bühne Donnerstag, 2. April: Komödiantin Rafaela Schwarzer auf der KN-Bühne Freitag, 3. April: Musikerinnen Sophia und Bettina Günst auf der KN-Bühne Sonnabend, 4. April: Poetry Slamer Björn Högsdal auf der KN-Bühne Sonntag, 5. April: Intendant und Schaupsieler Tadeusz Galia auf der KN-Bühne Dienstag, 7. April: Musiker Peter Widereck auf der KN-Bühne Mittwoch, 8. April: Bauchredner Benjamin Tomkins auf der KN-Bühne Donnerstag, 9. April: Pianist Jens Schliecker auf der KN-Bühne Freitag, 10. April: Bühnenkünstlerin Kati Luzie Stüdemann auf der KN-Bühne Sonnabend, 11. April: Schauspielerin und Sängerin Viola Schnittger auf der KN-Bühne Sonntag, 12. April: Ozeanpianist Markus Jan Weber auf der KN-Bühne Dienstag, 14. April: Musical-Sängerin Claudia Piehl auf der KN-Bühne Mittwoch, 15. April: Clown Heiko Mielke auf der KN-Bühne Donnerstag, 16. April: Musiker Frederik Kleinschmidt auf der KN-Bühne Freitag, 17. April: Martine Lestrat erzählt von den Tücken der deutschen Sprache Sonnabend, 18. April: Fenja Schneider singt Piaf-Chansons Sonntag, 19. April: Schauspieler Horst Stenzel auf der KN-Bühne Weitere Nachrichten aus dem Kreis Segeberg lesen Sie hier.

Schlaganfall und Therapie - Spielerisch mehr Kraft und Beweglichkeit