Trotz Coronakrise sind Job-Zahlen im Kreis Segeberg für 2020 fast stabil

"Ein kompletter Erholungsprozess dürfte sich auch ohne neue Lockdowns längere Zeit hinziehen", sagt Thomas Kenntemich, Leiter der Arbeitsagentur Elmshorn, in seinem Jahresrückblick. Und er sieht grundsätzliche Trends, die sich durch die Krise und nach der Krise verstärken. "Digitale Technik, Demografie, Globalisierung, Umweltschutz und Wertewandel werden zu Treibern unserer künftigen Arbeitswelt." Der Strukturwandel verstärkt sich, es werden Arbeits- und Fachkräfte fehlen, und zugleich droht schlecht Qualifizierten dauerhafte Arbeitslosigkeit. 24 Prozent mehr Arbeitslose: Der Umbruch in der Coronakrise war viel gewaltiger als zur Finanzkrise vor rund zehn Jahren. Im Jahresdurchschnitt 2020 waren 7694 Segeberger ohne Job, 1494 mehr als 2019. Das ist ein Anstieg um 24,1 Prozent. Die Arbeitslosenquote stieg von 4,1 auf 5 Prozent. Arbeitgeber haben 2020 rund ein Viertel weniger offene Stellen angeboten. Es gibt aber auch gute Nachrichten: Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs lag Stand Mitte 2020 mit 92.449 nur um 582 niedriger als 2019. Schlimmeres wurde abgefedert: Ute Beckmann, operative Geschäftsführerin der Arbeitsagentur, warnt vor einem Trugschluss: Schlimmeres sei abgefedert worden durch Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen. Agenturleiter Kenntemich sieht den Arbeitsmarkt immer noch auf einem guten Niveau. "Wir dürfen das aber nicht schönreden. Eine Quote von 5 Prozent ist noch super, aber wir hatten einen steilen Anstieg bei den Arbeitslosenzahlen. Und die Krise ist noch nicht zu Ende." Bewährt habe sich die Kurzarbeiterregelung, sagt Kenntemich. "Vielen Menschen blieben ihre Jobs und den Betrieben ihr eingearbeitetes Personal erhalten." Zeitweise war knapp die Hälfte der Belegschaft der Arbeitsagentur nur damit beschäftigt, die Anträge zu Kurzarbeitergeld zu bearbeiten. Jeder Siebte war in Kurzarbeit: Die Spitze lag im Mai. Damals wurden 13.499 Kurzarbeitende in 1657 Betrieben gezählt. Das hieß: Jeder siebte Arbeitnehmer. Nach dem Lockdown im Frühjahr waren einige Branchen schneller wieder in Fahrt gekommen: Lebensmitteleinzelhandel, IT-Firmen, Medizinprodukte-Hersteller und Logistiker. Sie konnten ihre Geschäfte sogar ausbauen, auch in der öffentlichen Verwaltung und im Baugewerbe. Besonders hart traf und trifft es Hotel- und Gaststättengewerbe, Tourismus, Messe- und Veranstaltungswesen, Zeitarbeitsfirmen und Einzelhandel (ohne Lebensmittel). Sehr viele Arbeitslose fanden neue Jobs: Trotz der immensen Krise: 5639 Jobsuchende fanden 2020 einen neuen Arbeitsplatz. Das waren im Vergleich zu 2019 nur 146 weniger. "Dies kann Mut machen", sagt Kenntemich. "Eine erfolgreiche Arbeitsplatzsuche ist auch in Pandemiezeiten möglich." Schwieriger war es für junge Menschen, einen geeigneten Ausbildungsweg zu suchen und eine Lehrstelle zu finden, weil etwa die Beratungstermine in Schulen ausgefallen waren. Ute Beckmann verweist auf viele gute Internetangebote der Arbeitsagentur, etwa das Programm Check-U. Strukturwandel beschleunigt sich: "Der Wandel der Wirtschaftsstruktur und des Arbeitsmarktes wird sich beschleunigen", ist sich Kenntemich sicher. Und Homeoffice sei jetzt für viele vorstellbar geworden. Stationärer Handel ohne Onlineunterstützung werde es schwerer haben. Wie sich der Arbeitsmarkt 2021 entwickeln werde, wollte Kenntemich nicht voraussagen. "Eine Prognose traue ich mir angesichts der Unsicherheiten nicht zu." Kleiner Dämpfer im Dezember: Im Dezember ging zumindest den fünften Monat in Folge die Arbeitslosenquote zurück. "Saisonal üblich wäre ein spürbarer Anstieg gewesen", sagt Kenntemich. Allerdings sei im Dezember die Nachfrage nach Arbeitskräften spürbar zurückgegangen. Im Januar 2021 erwartet Kenntemich eine steigende Arbeitslosenzahl. 7790 Segeberger waren im Dezember ohne Arbeit, 34 weniger als im November, aber 1423 mehr als vor einem Jahr. Rund 2200 offene Stellen sind gemeldet. Die Arbeitslosenquote in Bad Segeberg liegt bei 4,8 Prozent, in Kaltenkirchen bei 4,7 Prozent und in Norderstedt bei 5,7 Prozent. Baubranche optimistisch: "Wir rechnen in diesem Jahr mit keinerlei Einschränkungen", sagt Jörg Specht aus Bad Segeberg, Obermeister der Bau-Innung. "Wir haben einen Vorlauf bis mindestens zum Sommer, und es ist noch einiges in der Pipeline. Bei einigen Kollegen sieht es nicht viel anders aus." Etwas schlechter sei die Lage bei den Firmen, die ausschließlich Einfamilienhäuser bauen. Einige Bauherren hätten ihre Projekte zurückgestellt, weil sie etwa in Kurzarbeit geraten sind. Ernst, aber nicht hoffnungslos: "Die Lage ist sehr ernst und sehr bedrohlich", sagt Marlis Stagat aus Bad Segeberg, Vorsitzende des Vereins "Wir für Segeberg" mit Mitgliedsunternehmen von A wie Apotheke bis Z wie Zimmerei. "Fakt ist, dass es einige Betriebe nach Corona nicht mehr geben wird." Es gebe Verlierer dieser Pandemie, und auch Gewinner. "Gefühlt sind das weniger." Zwiespältig ist die Lage bei den Hotels und Gastronomen. Der Außer-Haus-Abholservice laufe prima, sei aber nicht mit einem regulär geöffneten Betrieb vergleichbar, sagt Lutz Frank, Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) und Gastronom in Bad Segeberg. "Aber meine Köche machen alle volle Stundenzahl und müssen nicht in Kurzarbeit." Kunden wollen konsumieren: Vieles sei offen: Wird es danach wieder Gesellschaftsfeiern wie Hochzeiten, Konfirmationen, Geburtstagsfeiern geben? Wird das Zugpferd Karl-May-Spiele stattfinden? Das Kundeninteresse sei groß, sagt Frank. "Die Gastro-Branche kann einen Boom erleben wie im Bilderbuch. Alle sind heiß, wieder auszugehen, und dazu gehört nun mal ein Essen in der Gastronomie."