Wieder Distanzunterricht am Gymnasium Bad Bramstedt via iPad und WLAN

Der Unterricht hätte eigentlich schon um 10 Uhr beginnen sollen. Mathematiklehrerin Antje Suhrbier sitzt in einem kleinen Raum in der Jürgen-Fuhlendorf-Schule (JFS) und blickt auf ihren Laptop. "Erst drei Schüler sind da", sagt sie. Nicht, weil die anderen noch schlafen. Nein, es ist schwierig, einen Platz im virtuellen Klassenraum des Gymnasiums zu finden. "Der Server kann nur bis zu 400 angemeldete Schüler verkraften", sagt Schulleiter Dr. Holger Oertel. Viel technisches Equipment für eine Lehrkraft: Eine Viertelstunde später sind dann immerhin 22 von 27 Schülern dabei. Die Lehrerin beginnt den Unterricht. "Sonderformen der Potenzregel" lautet das Thema. Schnell sind ein paar Formeln auf dem Bildschirm zu sehen. Die schreibt Antje Suhrbier mit einem Stift auf das iPad vor ihr, das im WLAN der Schule angemeldet ist. Das Geschriebene wird auf die landesweit verwendete Schulplattform IServ hochgeladen, die auf dem Laptop läuft. Daneben hat sie auch noch ein Mac-Book auf dem Tisch, "falls andere Schüler mir eine Nachricht zukommen lassen wollen." Das Smartphone ist auch immer griffbereit. Auf einem Blatt Papier macht sie sich zudem ein paar Notizen für die spätere mündliche Note. Auf dem Kopf trägt die Lehrerin ein Headset - Kopfhörer und Mikrofon, um sich mit den Schülern zu verständigen. Zu sehen sind die Schüler nicht auf dem Bildschirm. Das ginge zwar, würde aber den Server überlasten. Die Schüler chatten lieber als zu reden: Ihre Fragen werden nur zögerlich beantwortet. "In dieser Klasse sind viele Schüler schüchtern", weiß Antje Suhrbier. Sie würden sich nicht trauen, ins Mikrofon zu sprechen. Viele verwenden lieber die schriftliche Chat-Funktion des Programms. Doch das mag die Lehrerin nicht so. "Sprechen Sie", ermuntert die Pädagogin ihre Schüler, "sonst wird das hier sehr zäh". In den jüngeren Klassen hat sie ganz andere Erfahrungen gemacht. "Die wollen am liebsten alle auf einmal reden, dann verstehe ich gar nichts mehr." Nach gut 20 Minuten ist der Unterricht schon zu Ende, Antje Suhrbier wünscht allen ein schönes Wochenende, in der Chatspalte wünschen die Schüler ihr das Gleiche. Die Lehrerin muss sich sputen, gleich beginnt die nächste Stunde. "Ich habe einen ganz normalen Unterrichtsplan." Die Schüler auch, zumindest die älteren. Die Jahrgänge fünf bis sieben haben am Donnerstag und Freitag nur schriftliche Aufgaben bekommen. Für sie geht es erst in der kommenden Woche richtig los. Hausaufgaben gibt es auch in der virtuellen Schule: Manches ist auch in der virtuellen Schule gleichgeblieben. Wie üblich, bekommen die Schüler Hausaufgaben auf. Die Ergebnisse laden sie dann auf IServ hoch, Antje Suhrbier kann sie dort abholen. "Wenn alle den gleichen Fehler haben, dann weiß ich, dass sie die Dateien hin- und hergeschickt haben." Früher nannte man das Abschreiben. Auch heute gibt es eine Aufgabe, um die gelernten Formeln anzuwenden: Es soll eine runde Blechdose hergestellt werden, die ein Fassungsvermögen von 1000 Milliliter hat. Welche Höhe und welchen Durchmesser muss die Dose haben, damit möglichst wenig Blech verbraucht wird? Zu Hause sitzt der Mann im Homeoffice: Die Lehrerin kennt auch die Gegenseite. Ihre Töchter sind 18 und 15 Jahre alt, gehen selbst zur Jürgen-Fuhlendorf-Schule und sitzen zu Hause am Laptop und Tablet. Ihr Mann ist im Homeoffice. Da bleibt Antje Suhrbier nichts anderes übrig, als von der JFS aus zu unterrichten. Am Freitagvormittag ist sie mit Schulleiter Oertel die einzige Lehrkraft in dem großen Schulgebäude. "Den jungen Leuten fehlt der Kontakt untereinander", weiß sie von ihren Töchtern und ihren Schülern. Aber ihr selbst auch. "Ich bin leidenschaftlich gerne Lehrerin, die Interaktion mit den Schülern macht mir Spaß." Doch nun sieht sie diese nicht einmal. "Wenn ich einen Witz mache, weiß ich nicht, ob jemand lacht oder den Kopf schüttelt. Da kommt man sich blöd vor." Auch die älteren Lehrer kommen zurecht: Antje Suhrbier beherrscht die technischen Geräte vor sich problemlos. "Auch die älteren Kollegen kommen damit erstaunlich gut klar", hat Schulleiter Oertel festgestellt. Die meisten nutzen ihre privaten Geräte. Mathelehrerin Suhrbier ist da etwas im Vorteil. Als Mitglied der Schulleitung hat sie auch einen Laptop gestellt bekommen. Anders als an anderen Schulen gibt es wenig Probleme mit der technischen Ausstattung der Schüler. Ein Tablet oder einen Computer haben die weitaus meisten zu Hause zur Verfügung. Wer nicht, bekommt von der JFS ein iPad gestellt. Aus Geldern des Digitalpaktes konnte das Gymnasium 80 Geräte anschaffen. Direktor Oertel kann dem Online-Unterricht auch positive Seiten abgewinnen. "Wir haben dadurch sehr viel Neues gelernt, das wird uns auch in Zukunft helfen", meint er. Und das Problem mit dem überlasteten Server soll bald gelöst sein. In der nächsten Woche hofft der Schulleiter einen neuen zu bekommen. Die nötigen 5000 Euro hat "Enrichment" zur Verfügung gestellt, ein Verein, der sich auch in der Hochbegabtenförderung engagiert. "Dann können 1000 Schüler gleichzeitig online gehen", so Oertel. Knapp 900 hat die JFS zurzeit. Auch die Klassen fünf bis sieben können dann unterrichtet werden. Übrigens: Die Lösung der Hausaufgabe soll hier nicht verraten werden, damit die Schüler sie nicht von KN-online abschreiben. Nur so viel: Das Optimum ist die klassische Dose Mais im Regal des Supermarkts.