Gerhard Feige, 65, ist römisch-katholischer Bischof von Magdeburg: Ausdrucksstark heißt es in These 1: „Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht ’Tut Buße’ … (Mt 4,17), hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.“ Interessanterweise findet sich Ähnliches schon bei Bernhard von Clairvaux, den Luther sehr schätzte. Macht so etwas nicht schwermütig und lebensuntüchtig? Büßen muss man doch sonst nur, wenn man eine Straftat begangen oder sich anderweitig ins Unrecht gesetzt hat. Für Luther jedoch bedeutet das, „täglich in seine Taufe [zu] schlüpfen“, damit der alte Adam „mit allen Sünden und bösen Lüsten“ „ersäuft“ werde und sterbe, ein neuer Mensch aber herauskomme und auferstehe, der gottgefällig lebe. Statt „Tut Buße“ könnte man auch sagen: „Kehrt um“ oder „Ändert euer Denken und eure Vorstellungen“, bleibt nicht im Gewohnten stecken, orientiert euch neu, lasst euch auf Größeres ein! Löst euch von der zwanghaften Vorstellung, erfolgreich sein zu müssen! Macht euer Selbstwertgefühl nicht davon abhängig, wie andere euch sehen! Das, wonach ihr euch eigentlich sehnt – anerkannt und geliebt oder glücklich zu sein – könnt ihr euch ohnehin nicht selbst verschaffen. Es bleibt ein Geschenk, ist unverfügbar und hat für Menschen, die glauben können, letztlich mit Gott zu tun. Sich immer wieder neu darauf zu besinnen, befreit davon, sich heillos zu überfordern und gnadenlos mit anderen umzugehen. Man kann dadurch tatsächlich menschlicher werden – auch heute. Und das ist nicht nur typisch evangelisch.