Er hätte sie nackt fotografieren können, wie so viele andere Starlets und Mannequins vor ihr. Stattdessen steckte der Akt- und Glamour-Fotograf André de Dienes Marilyn Monroe in einen weißen Badeanzug, der sich in seiner Stofffülle wie ein schützender Kokon um sie zu schmiegen schien. Die Fotoserie von 1949 am Strand von Long Island sollte eine seiner berühmtesten werden. Er schaffte es, die Monroe frisch und unschuldig wirken zu lassen und trotzdem ihren für alle Zeit fotogenen Sexappeal einzufangen. Hätte sie noch mehr Haut gezeigt, wäre dieser Spagat kaum gelungen. Ihr Auftritt im weißen Einteiler war der Auftakt einer Serie von Titelbildern für Magazine in aller Welt, die ihr zum großen Durchbruch vom Pin-up-Girl zur Hollywood- Ikone verhalfen. Der Badeanzug hatte eben immer schon Starpotenzial. In diesem Sommer kommt er wieder ganz groß raus.
Mit tiefem Bein und meist züchtigem Dekolleté ist der Schnitt zwar eher konservativ, doch ebenso wenig wie beim Stoff wird bei Farben und Mustern gegeizt. Außer zu viel Schwarz ist alles erlaubt. Besonders angesagt sind Pastell-und Metallictöne. Streifen und Punkte sind bei der Vielfalt der Prints fast schon langweilig. Ethno-Muster, Blüten, Blattwerk, Tiermotive oder fotorealistische Drucke versprechen für diesen Sommer ein besonders buntes Strandleben. Neckholder, flexible Butterfly-Träger, Rüschen, Raffungen, Reißverschlüsse und Gürtel machen die Modelle zusätzlich anziehend. Minimalismus war gestern. Zumal auf den Laufstegen und bei den Hollywoodschönheiten schon seit einiger Zeit noble Blässe statt nahtloser Bräune zählt. Selbst die von der Fußball-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr angetriebene „Brazil-Schnitt“-Welle ist am Abebben: Der Po bleibt wieder weitgehend verdeckt.
Der Einteiler als Kleidungsstück, das nicht mehr nur notdürftig verhüllt, sondern zeigt, was es in sich hat, ist so dominant, dass sich ihm selbst sein ärgster Konkurrent annähert: Der Bikini ist in dieser Saison mit Pantys bis zur Taille und bustierförmigen Oberteilen sogar stoffreicher als das Urmodell, das seine Geburtshelferin Ursula Andress alias Honey Rider 1962 in „James Bond jagt Dr. No“ trug. Biedere Zeiten für Beachwear? Ein Rückfall in die Phase von Pumphosen im Matrosenlook ist nicht zu befürchten. Und dass viel Stoff auch viel hermacht, zeigen nicht zuletzt die Entwürfe von jungen deutschen Bademodelabels wie etwa Mymarini oder 1979. Hinter Letzterem verbirgt sich allerdings keine für die Siebziger typische Häkel-Bikini-Kollektion. Gründerin Suzanna Kuhlemann lässt sich vielmehr vom Strandlook der Fünfziger- und Sechzigerjahre inspirieren.
Bereits 2011 ging die studierte Modedesignerin in Berlin mit ihrer Marke für Damenbademode an den Start und setzte auf High-Waist-Höschen und Corsagestäbchen. „Ich wollte zeitlose Klassiker schaffen und die Eleganz von früher wiederbeleben“, sagt Kuhlemann. Ihre ersten Kreationen entwarf sie vor gut fünf Jahren bei einem längeren Aufenthalt auf Hawaii. Damals schneiderte sie Bikinis aus Secondhand-Aloha-Hemden. Mittlerweile ist sie auf Spandex-Stoffe umgestiegen, die sie aus Italien und Frankreich bezieht und in Deutschland verarbeiten lässt. Kuhlemann kombiniert Vintage-Elemente mit schnörkellosem Design und angesagten Farben. Als „ladylike“ bezeichnet die 39-Jährige ihre Modelle. Dass der Retro-Look derzeit in ist, freut sie. Doch grundsätzlich lasse sie sich nicht von Trends beeinflussen, betont die Berlinerin: „Ich würde meiner Devise immer treu bleiben, dass weniger Haut zeigen mehr ist. Meine Kundinnen sollen sich angezogen fühlen.“ Dass ein tiefes Bein und taillenhohe Pantys nicht jeder Figur schmeicheln könnten, lässt sie so nicht gelten. „Es kommt nicht auf die Konfektionsgröße an, sondern auf die Proportionen der Trägerin – und natürlich auf den Schnitt.“ Der könne durchaus eine Diät vor dem Urlaub überflüssig machen, wenn er perfekt sei, sagt Kuhlemann.
Davon ist auch Mareen Burk überzeugt. Die Hamburgerin ist passionierte Wassersportlerin. Doch ihre Freude am Surfen wurde oft getrübt, weil Badeanzug oder Bikini nicht ideal saßen oder langweilig aussahen. Nach einer mehrmonatigen Südamerika-Reise beschloss Burk, nie wieder kneifende Höschen oder labberige Einteiler zu tragen, und gründete ihr eigenes Bademodenlabel Mymarini. Im vergangenen Frühjahr begann sie mit dem Onlineverkauf. Mittlerweile liefert sie in alle Welt. „Ich wollte Bademode, die zwischen mädchenhaftem Sternchen-Bikini und damenhaftem Goldverschluss angesiedelt ist. Sportlich-elegant und cool sollte sie sein“, erzählt Burk. Ihr Ziel hat sie erreicht. Sechs Modelle in mehreren Farbkombinationen zählen zu ihrer aktuellen Kollektion, die sich vor allem durch puristische Schnittführung und kräftige Farben auszeichnet. Neckholder und Shorts oder Badeanzüge mit angeschnittenen Ärmeln sorgen für Raffinesse. Auf Details wie Körbchen oder Rüschen verzichtet Burk zugunsten von Funktionalität.
Dieser ist auch geschuldet, dass die Designerin den Stoff doppellagig verarbeitet. Das bannt die Gefahr des Verrutschens und sorgt für einen zusätzlichen Shape-Effekt. Als Naturliebhaberin sei es ihr wichtig gewesen, Materialien ohne Schadstoffe zu verwenden, sagt Burk. Sie setzt auf Polyamid. Lange hat sie nach einer umweltfreundlichen Lösung für die Produktion gesucht und schließlich eine Ökostromfabrik in Italien gefunden. Geschneidert wird aber in Deutschland. Die exzellente Qualität des Stoffes mache es möglich, nur für die drei Größen S, M, und L fertigen zu lassen. „Man zieht sich das Material dahin, wo man es braucht. Der Stoff passt sich der Figur an“, erläutert Burk.
Einen Nachteil hat das Baden im Mehr allerdings: Mit dem Trocknen dauert es anschließend doch etwas länger. Besser, man hat noch ein Modell zum Wechseln parat.
Kerstin Hergt