Es gibt ein Accessoire für den Urlaub, das weniger chic als praktisch ist. Es steht auf nahezu jeder Packliste und wird doch so oft zu Hause vergessen. Es geht um den Brustbeutel. Der Satz „Hast du auch deinen Brustbeutel eingepackt?“ steht seit Jahrzehnten auf der Liste besorgter Fragen, mit denen Mütter die Abreise ihrer jugendlichen Kinder hinauszögern, ganz oben. Meist wird sie mit einem gequälten "Ja" beantwortet. Der Brustbeutel aber bleibt in den meisten Fällen dann doch liegen.
Scheinbar versehentlich, in Wirklichkeit aber mit Absicht, während sich der Besitzer befreit von der Last zu großer Vorsicht nun die Welt anschaut. Dieses Phänomen ist sogar bei Wikipedia dokumentiert: "Brustbeutel wurden im 20. Jahrhundert oft von Kindern getragen, mehrheitlich auf Wunsch der Eltern, wodurch sie bei Jugendlichen oft als ,uncool’ galten. In ihnen wurden Kleingeld für das Telefon, die Schülerfahrkarte und andere Utensilien verwahrt."
Klassiker mit langer Geschichte
Beim Brustbeutel handelt es sich durchaus um einen Klassiker, wenn man die Kulturgeschichte der Geldbörsen betrachtet. Um den Hals getragene Beutel gab es schon bei den indigenen Völkern Nordamerikas. Schamanen transportierten darin Steine, Kräuter und Gegenstände, denen sie magische Kräfte zusprachen. Später bewahrten die Menschen in Brustbeuteln Wertvolles wie Schmuck, Nahrung oder auch Nähzeug auf. So gesehen kam der Brustbeutel nie aus der Mode. Ein wissenschaftlicher Beweis dafür ist die Moorleiche von Pangerfilze aus dem 18. Jahrhundert. Ausgegraben wurde sie 1927. Zu dem Zeitpunkt mochte sie allerlei irdischen Besitz verloren haben, ihren Brustbeutel aber trug sie noch bei sich.
Hinweise auf Brustbeutel findet man in den Packlisten des Militärs – schließlich lassen sich darin auch Erkennungsmarken sicher aufbewahren –, bei Pfadfindern wie Jakobswegpilgern und alle Jahre wieder in den Reisesicherheitsempfehlungen der Polizei. Er schützt zwar nicht vor einer Cyberattacke auf das heimische Konto. Ein bisschen Bargeld lässt sich darin aber retten oder auch mitnehmen, etwa, wenn in Urlaubsländern wie aktuell in Griechenland keines mehr aus dem Automaten kommen sollte.
Keine echte Alternative
Ein früher Versuch, Wertsachen an die Hüfte zu verlagern, war die Geldkatze – ein gürtelähnliches Gebinde aus Katzenhaut für Münzen. Wenn Handelsleute den bis heute üblichen Ausdruck "Rubbel die Katz" verwendeten, hieß das, dass sie ihre Geschäftspartner ordentlich schröpfen wollten. Viel später, in den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts, machten wasserfest verschließbare Röhrchen aus Kunststoff noch einmal den Versuch, den klassisch ledernen Brustbeutel abzulösen. Durchgesetzt haben sie sich nicht.
Und im Sommer, machen wir uns nichts vor, werden ohnehin einige Grundsätze guten Stils außer Kraft gesetzt. Zumindest auf Reisen. Dann erlauben wir uns alberne Schirmkappen, Wanderschuhe in Fischrestaurants und jetzt auch faltbare Selfie-Sticks. Gut sieht das alles nicht aus. Also: Nur Mut. Brustbeutel tragen. Nicht nur in Griechenland.