Dennis Betzholz kommentiert die Bilanz zur Kieler Woche 2020

Nur ein Narr macht keine Experimente. Dieser Satz wird dem Naturforscher Charles Darwin zugeschrieben. Als dieser im Jahr 1882 in der Grafschaft Kent starb, fand 1000 Kilometer weiter östlich die erste Kieler Woche statt. Mit Volksfesten dürfte sich Darwin weit weniger ausgekannt haben als mit der Evolution – und doch kann sein Zitat als Grundmelodie dieser Kieler Woche dienen. Sie war ein Experiment – daraus haben die Macher nie einen Hehl gemacht. In Teilen ist es gescheitert, doch das ist fast nebensächlich. Die Zeche fällt zu hoch aus: Eine Kieler Woche unter solchen Umständen hat es noch nie gegeben und wird es hoffentlich auch in Zukunft nicht mehr geben, so Corona es will. Doch wer weiß das schon? Es wäre ein Leichtes gewesen, die Großveranstaltung abzusagen. Doch Kiel wollte vorangehen, sogar ein Vorbild für Deutschland sein. Kiel wollte zeigen, wie Veranstaltungen in Zeiten wie diesen aussehen können. Dieser Mut, diese Weitsicht verdient Lob. Niemand weiß, wie lange uns das Virus noch daran hindert, in gewohntem Maße ein Konzert zu erleben, ein Theaterstück, ein Fußballspiel, einen Weihnachtsmarkt – und ob die, die diese Erlebnisse für uns darbieten, all die Künstler, Techniker oder Schausteller, dann überhaupt noch am Markt sind. Diese Kieler Woche war deshalb nicht nur ein Experiment, sondern auch regionale Wirtschaftsförderung im besten Sinne. Dass dazu drei Millionen Euro notwendig waren – sprich so viel wie in jedem Jahr –, ist hingegen schwer zu vermitteln: Eine Kieler Woche, die politischer Wille und als Mini-Ausgabe geplant war, darf nicht so viel kosten, als kämen drei Millionen Besucher – trotz eines neuen Ticketsystems und der Ausweitung der Segelwettbewerbe, von deren Hochklassigkeit man nur im Internet etwas mitbekam. War die Kieler Woche dennoch ein Vorbild? Und woran macht man das fest: an den Infektionszahlen, der Besucherzahl oder der Strahkraft in andere Teile des Landes? Nein, es gab bislang keinen Corona-Ausbruch in der Stadt, sicher auch, weil das Hygienekonzept funktionierte, aber auch, weil auf bestimmte Areale zeitweise kaum Besucher kamen. Dass insgesamt nur 38 000 von 44 000 kostenlosen Tickets gebucht wurden, von denen 7000 Karteninhaber am Ende zudem noch zu Hause blieben, wird nicht dazu führen, dass die Macher des Oktoberfestes Kiels Oberbürgermeister gratulieren werden. Was klappt, was nicht? Diese Kieler Woche war ein Experiment. Experimente sollen Erkenntnisse hervorbringen, sie müssen nicht vollends gelingen. Um nur ein paar zu nennen: Konzerte in Wohnzimmer-Atmosphäre kommen gut an, Konzerte auf Großbildleinwand nicht. Besucher wollen spontan kommen, nicht vorher buchen. Kinder spielen auch mit Maske gerne – und Windjammerparade geht immer. Bei aller Kritik an dieser Kieler Woche: Die Macher sind, um es in Darwins Worten zu sagen, keine Narren. Sie haben viel gelernt, stellvertretend für andere im Land.