Digitale Ratsversammlung: Was Kiel von Stockelsdorf lernen kann

Stolz teilte die Verwaltungsspitze am vergangenen Montag mit: „Kommunalpolitik via Livestream: Heute Nachmittag um 17 Uhr startet die erste Hauptausschusssitzung als reine Videokonferenz. Im letzten Frühjahr haben wir in dieser Form häufiger vorberatend getagt, allerdings ohne rechtskräftige Beschlüsse fassen zu können. Dazu war eine Änderung der Gemeindeordnung Schleswig-Holstein und die Änderung der Hauptsatzung der Gemeinde erforderlich. Danach können wir nun aus Gründen des Infektionsschutzes in Ausnahmefällen per Videokonferenz tagen. Um die Öffentlichkeit zu gewährleisten, streamen wir die Sitzung live im Internet und übertragen die Sitzung live in unseren Sitzungssaal. Dort oder per E-Mail können auch Fragen im Rahmen der Einwohnerfragestunde gestellt werden.“ So einfach ist das. Schade, die Mitteilung kam nicht von der Kieler Verwaltungsspitze. Sie kam von Julia Samtleben, der Bürgermeisterin von Stockelsdorf. Die kleine Gemeinde bei Lübeck ist digitaldemokratisch beträchtlich weiter als die Landeshauptstadt. Auch in Pinneberg und Flensburg haben Ratsversammlungen und Ausschüsse bereits rechtssicher online getagt. Und Kiel? Die größte Stadt des Landes? Die Stadt, deren Verwaltung sich seit Anfang 2019 einen „Chief Digital Officer“ gönnt? Fehlanzeige. Wie peinlich. Wer Gremien absagt, sagt die kommunale Demokratie ab: Es hat seit dem 15. Dezember 2020 in Kiel noch keine einzige Ortsbeiratssitzung gegeben. Noch kein einziger Ausschuss der Ratsversammlung außer dem Bauausschuss hat getagt. Kein Seniorenbeirat, kein Beirat für Menschen mit Behinderung, kein Junger Rat. Alles abgesagt. Infektionsschutz. Für den Februar ist keine Besserung in Sicht. Lesen Sie auch: Kieler Grüne fordern digitale Sitzungen Das ist nicht nur schade, das ist eine demokratische Katastrophe. Wer kommunalpolitische Gremien ein ums andere Mal absagt, sagt die kommunale Demokratie ab. Wenn Mandate nicht ausgeübt werden, sind mit den Gewählten auch die Wählerinnen und Wähler, die Bürgerinnen und Bürger ausgebremst. Das darf die Stadtgesellschaft nicht hinnehmen. Kieler Verwaltung muss sagen, wie es digital gehen kann: Es gibt nur zwei Auswege: Die Selbstverwaltung muss so infektionssicher wie möglich Präsenzsitzungen halten, auch die Ausschüsse, auch die Beiräte. Oder ihre Gremien tagen wie in Stockelsdorf, Pinneberg und Flensburg digital. Aus der Kieler Verwaltung ist dazu bislang nur zu hören, warum es digital nicht geht. Aber mit keinem Wort, wie es gehen kann. Man wundert sich über eine Selbstverwaltung, die sich das gefallen lässt. Zur Erinnerung: Es gilt das Primat der Politik. Die Selbstverwaltung kontrolliert die Verwaltung und erteilt ihr Aufträge. Wenn die Verwaltung erkennbar unwillig ist, die Voraussetzungen für den demokratischen Betrieb zu schaffen, dann kann und muss die Selbstverwaltung ihr Beine machen. Aber auf einen selbstbewussten Ratsantrag, wonach die Verwaltung gefälligst sofort die digitale Infrastruktur für Kommunalpolitik und Demokratie zu schaffen hat, wartet Kiel bislang vergebens. Aus den Ratsfraktionen gibt es bestenfalls Klagen hinter vorgehaltener Hand oder auf Twitter und Facebook. Das genügt nicht. Kiel, schau mal nach Stockelsdorf.