Grüne, die stärker sind als SPD und CDU zusammen. Genossen, die in der einstigen roten Hochburg auf klägliche 16,4 Prozent noch hinter die CDU abrutschen. Und eine Satirepartei, die bei 4,6 Prozent der Stimmen nur 309 weniger als die FDP bekommt. Wenn es einen Ort gibt, für den der Begriff "politisches Erdbeben" passt, dann ist es die Landeshauptstadt Kiel.
Wenige Monate vor der OB-Wahl stehen ausgerechnet die Grünen, die das Glück, das ihnen die "Fridays for Future"-Bewegung beschert hat, kaum fassen können, unter Handlungsdruck. Die bisherige Strategie, im Kuschelkurs mit dem roten Amtsinhaber nur halbherzig über eine eigene Kandidatur nachzudenken, passt nicht mehr. Dass eine Partei, die plötzlich auch in den bürgerlichen Stadtteilen Düsternbrook, Suchsdorf oder Holtenau vorne liegt, sich brav hinter Ulf Kämpfer stellt, ist schwer vermittelbar – weder den eigenen Reihen noch der Öffentlichkeit. Wer in Europa erfolgreich einen Politikwechsel fordert, sollte auch vor Ort ein personelles Angebot machen.
Nun rächt es sich, dass die Spitze des grünen Kreisverbands mit Rücksicht auf ihren "Ulf", dem man freundschaftlich verbunden ist, nicht ernsthaft nach einer Alternative gesucht hat. Die Zeit drängt: Entweder präsentieren die Grünen doch einen eigenen Menschen, der das Zeug zum Verwaltungschef hat. Oder sie müssen sich eine gute Antwort auf die Frage überlegen, warum ihre wachsende Klientel den Kandidaten der schwächelnden SPD unterstützen soll, um grüne Ziele zu erreichen. Einfach wird beides nicht.
Grüne Freude, schwarz-roter Kummer
"Noch sind unsere Ziele nicht erreicht" – Interview mit dem Kieler FFF-Mitorganisator Moritz von Courten