Leitartikel von Christian Longardt zur aktuellen Wahl-Umfrage

Anfang Januar konnte der Ministerpräsident seine Begeisterung kaum zügeln. „Wenn ich mir die Herausforderungen der nächsten Jahre anschaue, ist das wirklich ein perfektes Bündnis“, sagte Daniel Günther und erklärte seine Jamaika-Koalition ganz unbescheiden zum landespolitischen Nonplusultra. Eigenlob hoch drei: Die Kieler Jamaika-Koalition hat die Tendenz, sich an sich selbst zu berauschen. Die neue Insa-Umfrage ist für das Dreier-Bündnis da ein gehöriger Dämpfer. Zwar können alle Partner mit ihren Werten ganz zufrieden sein – setzt sich der Trend aber fort, dann dürfte Schwarz-Grün-Gelb nach der Landtagswahl in zwei Jahren Geschichte sein. Günther könnte sein Amt verlieren: Die Union Kopf an Kopf mit den Grünen, dazu eine SPD mit ungefähr 20 Prozent – für Günther ist die neue Konstellation brandgefährlich. Selbst wenn seine Partei bei der nächsten Wahl stärkste Kraft wird, könnte er sein Amt verlieren. Die heutigen Treueschwüre aufs Jamaika-Bündnis, sie wären Schall und Rauch: Hätten die Grünen die Chance, gemeinsam mit SPD und SSW eine Neuauflage der „Dänen-Ampel“ zu starten, sie würden sie nutzen. Grün-Rot plus SSW, die einstige Küstenkoalition könnte wiederauferstehen. Das Thema Klimawandel stärkt die Grünen: Eine sozial-ökologische Mehrheit sei „eine wunderbare Perspektive“, twitterte gestern prompt der Europa-Abgeordnete Rasmus Andresen und dürfte damit für die Mehrheit seiner grünen Parteifreunde gesprochen haben. Die Umfrage bestätigt den Trend aus der Europawahl, bei der die Öko-Partei in Schleswig-Holstein erstmals die CDU überflügelte. Solange der Klimawandel das beherrschende Thema bleibt, wird der Lauf der Grünen weitergehen. Wichtige Debatten kamen oft zu kurz: In den vergangenen Monaten ist mancher Konflikt in der Koalition offen zutage getreten, zuletzt bei der A20, beim Tempolimit oder zuvor schon bei der Frage des Schleier-Verbots an der Uni. Solche Debatten werden angesichts des wachsenden grünen Selbstbewusstseins eher noch zunehmen, und das ist auch gut so. Denn das große Plus des Jamaika-Pakts – Brücken zu bauen und die Breite der Gesellschaft zu repräsentieren – war bisher zugleich sein großer Nachteil: Die Drei bestimmen die Agenda; wichtige Diskussionen sind um des Koalitionsfriedens willen zu kurz gekommen oder öffentlich gar nicht mehr geführt worden. Gute Laune bei den Roten: Und die SPD? Für sie hätte die Umfrage auch schlimmer ausfallen können. 20 Prozent wären bei einer Landtagswahl zwar historisch wenig, in der derzeitigen Verfassung aber dürfen die Zahlen von den Genossen positiv gedeutet werden. Die Perspektive, 2022 an der Seite von Grünen und SSW Daniel Günther abzulösen, macht den depressiven Roten garantiert gute Laune. Weitere aktuelle Nachrichten aus Schleswig-Holstein finden Sie hier. Und weitere Meinungen finden Sie hier.

Leitartikel - Longardt: "Gefahr für Günther"