3.Sinfoniekonzert der SH-Sinfoniker unter Gastdirigent Ekhart Wycik

Denn am Beginn des Abends stand Johann Sebastian Bachs bekannt-beliebte dritte Orchestersuite (BWV 1068), die Gastdirigent Ekhart Wycik erfreulich unspektakulär und klanglich gerundet anging. Flotte Tempi, dynamische Dezenz, sorgfältige Artikulation: trotz der großen (modernen) Orchesterbesetzung klang dieser Bach keineswegs triumphal bzw. dank „Pauken & Trompeten“ reißerisch, sondern kam tänzerisch schwungvoll, elegant mit akzentuierter Beiläufigkeit und feingewebter Durchsichtigkeit daher. Und selbst die beiden vorzüglich aufgelegten Trompeter hielten sich in Schleswigs akustisch problematischer Spielstätte vornehm zurück und setzten diesem Bach ihre klangvollen Glanzlichter in geschmackvoller Dezenz umso wirkungsvoller auf. Klassizistischer Mendelssohn: Hatte sich Ekhart Wycik am Pult sich bei Bach als tänzerisch agierender Animateur gezeigt, so verordnete er den Landessinfoniker für Felix Mendelssohn Bartholdys e-Moll Violinkonzert eine erstaunlich nüchternde, klassizistisch stringente Gangart. Wer bei diesem vertrauten Meisterwerk süßliche Sentimentalität und klanglichen Überschwang erwartete, wurde dank fließender Stringenz und vibratoarmer Spielkultur (bei allen Streichern incl. Sologeiger) positiv enttäuscht. Albrecht Menzel als unsentimentaler Solist: Trotz seiner jungen Jahre erwies sich Albrecht Menzel in seinem effektvollen Solopart als klanglich objektivierender, modern-nüchterner Geiger, der seiner Stradivari eine klare, fast sehnigen Klangfülle entlockte und sich von pseudoromantischen, gefühlsvollen Drückern und Schluchzern fernhielt. Seine Virtuosität diente einzig der Posie der Mendelssohn‘schen Musik, die er und seine orchestralen Mitstreiter in unsentimental-schlanker Manier feinsinnig umsetzten. Dabei mag er sich mit dieser Interpretation an der des großen belgischen Geigervorbild Eugène Ysaye orientiert haben, dessen anspruchsvolle, einsätzige Sonate Nr.3 „Ballade“ er souverän als mit Ovationen bedachte Zugabe servierte. Russische Rarität als lohnende Entdeckung: Eine Entdeckung dürfte für die meisten Konzertbesucher die abschließende 2.Sinfonie A-Dur des weitgehend vergessenen russischen Komponisten Wassili Sergejewitsch Kalinnikow gewesen sein, der das kompositorische Erbe eines Tschaikowsky oder Borodin phantasievoll in kommoder Melodik fortsetzte, bis ihn die Schwindsucht mit 35 Jahren 1901 dahinraffte. Kalinnnikows Melancholie und Leidenschaft: Wycik lotste die jetzt opulent besetzten Landessinfoniker umsichtig durch Kalinnikows slawisch gefärbte Theatralik nebst russischem Ungestüm voller rhythmischer Fallstricke und explosionartigen Entladungen, aber auch durch Passagen feinster Melancholie und Leidenschaft. Typisch für Kalinnikow scheint die Verliebtheit in eigene, gelungene Melodien zu sein, die er öfters wiederholt oder zumindest ansatzweise zitiert, was gelegentlich ein wenig enervierend wirkt. Volkstümlicher dritter Satz: Heikel das Allegro scherzando des 3.Satzes mit seinem volkstümlichen Überschwang und den gegenläufigen Figuren der Instrumentengruppen, was bei der in Schleswig akustisch unglücklichen Breitwandaufstellung der Musiker schon mal zu Koordinierungspannen führte. Dennoch wußten man hier wirklich zu glänzen, wenn z.B. die balsamisch gefärbte Horngruppe mit den Posaunen mit einen duettierenden Dialog einstiegen oder die Holzbläser russische Archaik ins kunterbunte musikalische Geschehen blitzsauber und klangschön einbrachten. Rückschau im Finale: Der rondoartige Finalsatz entwickelte sich nach einem melancholischen Entrée von Horn und Englischhorn zu einer Art Rückschau auf alle bisher vorgestelleten Themen, um dann in eine arg ausgedehnte, lärmende Schluss-Stretta mit allzu abgegriffenem Tsching-Bum-Krach-Donner zu münden. Nichtsdestoweniger die Begegnung mit einem hochinteressanten, viel zu früh verstorbenen Komponisten, dem dank Ekhart Wycik und den animiert aufspielenden Landessinfonikern die längst fällige Reverenz zuteil wurde. Die Daten weiterer Aufführungen: 27.11.2019 19.30 h Flensburg, Deutsches Haus 28.11.2019 20.00 h Husum, NCC 29.11.2019 19.30 h Rendsburg, Stadttheater www.SH-landestheater.de Mehr zur Kultur in der Region lesen Sie hier. Von Detlef Bielefeld

Landestheater SH - Empfehlung einer russischen Rarität