"Alice im Wunderland" wird vom Schauspiel Kiel als Theaterfilm gezeigt

Die eine starrt, die andere schmollt und die dritte sinniert mit fernem Blick in sich hinein. „Super“, sagt Anna-Elisabeth Frick, „das ist wie auf den Gemälden von Edward Hopper. Beziehungslosigkeit, das passt gut.“ Auf der Probenbühne im Schauspielhaus arbeitet die Regisseurin, die am Handy auch ihre eigene Kamerafrau ist, gerade an den letzten Bildern für Alice, einen Theaterfilm, den sie mit den Schauspielerinnen Jennifer Böhm, Ellen Dorn und Tiffany Köberich in Szene gesetzt hat. "Alice ist jemand, der anders denkt": „Für mich ist Alice eine extrem neugierige und offene Person, die mutig in die Welt hinausgeht und sie erforscht“, sagt Anna-Elisabeth Frick über die Titelfigur in Lewis Carrolls Literaturklassiker Alice im Wunderland (1865). Die folgt erst neugierig einem weißen Kaninchen und findet sich unversehens in einer Welt wieder, in der die Gesetze von Raum, Zeit und Schwerkraft außer Kraft gesetzt sind und Figuren wie die Herzkönigin und die Grinsekatze herumspuken. „Die kommen schon alle vor bei uns. Aber ich sehe in Alice überhaupt nicht das Kindliche, sondern eine Frau, Wissenschaftlerin, die fragt und sagt: Wir brauchen für die Welt ein neues Modell. Alice ist einfach jemand, der das Vorhandene anders denkt.“ Dieser Idee hat das Frauenteam um Anna-Elisabeth Frick, zu dem außerdem noch Ausstatterin Martha-Marie Pinsker und Regieassistentin Larissa Voulgarelis gehören, nachgespürt. Im kunterbunten Probenraum, der viele Räume in einem ist und aussieht, als hätte jemand die Kulissen- und Requisitenkiste zum Buch ausgekippt. „Ich möchte hier einen Möglichkeitsraum schaffen“, sagt Anna-Elisabeth Frick. „Die Zuschauer sollen sich treiben lassen, etwas an die Hand bekommen, um sich selbst zu befragen.“ Drei Schauspielerinnen und ihre Alice-Versionen: An den Wänden haben auch die Schauspielerinnen Versatzstücke und Assoziationen ihrer jeweils eigenen Alice-Version verteilt. Ellen Dorn gefällt, „dass hier alles darauf ankommt, ob man bereit ist, mit den Augen der anderen zu gucken“. Tiffany Köberich staunt über die Figur, die sich so unkompliziert in der fremden Welt bewegt: „Ich wäre auch gern ein bisschen mehr Alice …“ Dass Alice mit ihrem unkonventionellen Geist in ein Heute passt, das den Menschen zwischen Klimawandel und Corona gerade um die Ohren zu fliegen droht, ist für das Team keine Frage: „Sie ist schon einen Schritt weiter, wittert die Chancen und entwirft neue Modelle.“ „Wir haben uns hier eine kleine Blase erschaffen“, sagt Ellen Dorn. Eine Art Lockdown-WG, in der sie Filme geguckt und Texte besprochen haben. In der Raum ist für Nonsense und sinnlose Aktionen, wie sie Alice erlebt. Und über die sie neue Perspektiven entwickelt. „Aber weltfremd war das überhaupt nicht“, sagt Tiffany Köberich, „einfach konzentriert.“ Und Ellen Dorn ergänzt: „Dabei haben wir gar nicht wild improvisiert, sondern sind eher vom Reden ins Spielen gekommen.“ Filmbilder für die "Mindmap" im Kopf: Anna-Elisabeth Frick mag das, bekannte Figuren auseinandernehmen und nach ihrem Kern forschen. Oder nach dem Punkt, an dem er in der Gegenwart andockt. Am Schleswig-Holsteinischen Landestheater hat die 31-Jährige, die auch am Theater Freiburg, in Potsdam und Mannheim inszeniert, das bereits mit Faust (2018) und Hamlet (2020) eindrucksvoll gezeigt. „Ich mag Figuren, die nicht eins sind mit der Welt, sondern die mit ihr struggeln“, sagt sie, „aber ich habe kein Interesse daran, die bekannte Geschichte noch einmal zu erzählen.“ Für den Film hat sie eine „Mindmap“ im Kopf: „Ich sammle Material, das ich im Prozess zu Hause schon geschnitten habe. Das kann einen Rhythmus verfolgen oder eine inhaltliche Schiene.“ Eine Arbeit wie beim Puzzle. Der erste Film ist das nicht für die Regisseurin; 2017 hat sie schon eine Doku über die eigene Familie mit den sechs Schwestern gedreht – „auch sehr theatermäßig“. Natürlich hoffen sie trotzdem, dass der Abend irgendwann auch auf die Studio-Bühne kommt. „Alice geht weiter“, sagt Jennifer Böhm, „die kennt keinen Stillstand. Und wir sind jeder unsere eigene Alice.“ Digitale Uraufführung am Donnerstag, 8. April, 20 Uhr auf dem Youtube-Kanal des Theaters Kiel. Tickets: Tel. 0431 / 901 901, www.theater-kiel.de