Atze Schröder in Kiel: Auf Reise in die Gefühlswelt

„Schön, wieder in Kiel zu sein, Gott sei Dank“, entfährt es dem Comedian zu Beginn. „In Kiel, da sind meine Leute, mit der Hälfte des Publikums hab ich schon geschlafen, mit der anderen Hälfte wenigstens gesoffen, meistens beides.“ Es gibt also eine Vertrautheit zwischen dem Publikum und Atze Schröder, der sich diesmal „echten Gefühlen“ widmen möchte. Doch zunächst ist die Scheinwelt der Werbung Thema und Atze wirft die Frage auf, warum das Mindest-Abo bei Parship drei Monate beträgt, wenn sich doch laut Slogan „alle elf Minuten“ ein Single dort verliebt. Auch Liverpool-Trainer Jürgen Klopp, der Werbung für Opel („Der verdient 10 Millionen im Jahr. Der fährt doch nicht mit so einem Streptokokkensauger durch Liverpool!“) und Vermögensberatung macht („Die Renten sind sicher.“ „Ja, Jürgen, deine.“), kriegt seine Sprüche vom Comedy-Experten. Verbaler Griff in den Schritt: Wo kriegen wir denn nun gute Gefühle? Bei Haustieren zum Beispiel, meint Atze und schildert genüsslich, wie „Muddi“ dem sich vor ihr räkelnden Labrador mit dem Fuß die Eier krault, während „Vaddi“ die Szene neidvollen Blickes verfolgen muss. Ja, bei Atze geht der verbale Griff auch gern in den Schritt, aber dafür wird er gefeiert. Schlager brächten die Gefühle ebenfalls in Wallung, meint der Mann in den obligatorischen Cowboystiefeln. Helene Fischer bezeichnet er in ihren Shows als „nuttig, aber mit Niveau“ und „Das ist Herbertstraße – aber gefegt“. Natürlich darf auch „der Wendler“ (47), aktuell wegen seiner 19-jährigen Freundin im Gespräch, im Bashing nicht fehlen. Dann doch lieber die alten Rockstars, zu denen „wir“ wieder pilgern, denn die sind noch echt. Oder waren es; wie der frühere AC/DC-Sänger Bon Scott: „Der ist an seinem Erbrochenen erstickt. Mark Forster kippt schon um, wenn er keine laktosefreie Milch im Tee hat.“ Zu den echten Gefühlen zähle auch die Peinlichkeit, klärt der Gefühlsmensch auf und schildert die allseits beliebte Szene vom Furz („Heckhusten“) im Fahrstuhl. Die ist immer wieder ein Brüller, weil es den Menschen reduziert und weil der Comedian immer wieder ausgefallene Formulierungen findet. So ist eine attraktive Frau eine, „bei der du die Rinde mitessen kannst“, ein Vibrator ein Gerät aus dem Bereich „Ehehydraulik“ und ein Baumarkt ein „Dübel-Dom“. Kunstfigur, die in die Zeit passt: Atze Schröder öffnet in breitem Ruhrpott-Dialekt die Beziehungskiste und schaut in jede Ecke. Wenn er vom „Zauber langer Beziehungen“, dann führt er als Beispiel den Mann an, der am Hotel-Frühstücksbüffet steht und der Gattin zuruft: “Mutti, mag ich Gouda?“ „Nimm Zwiebelmett! Das kennst du!“, schallt es zurück. Atze Schröder stellt sich und seine Comedy sehr breitbeinig auf und lässt keinen Zweifel an seinem Status als Platzhirsch unter Rehen. Er ist aber auch schlau genug, die Figur altersgerecht zu demontieren, wenn er von der abgeschleppten Barbekanntschaft erfahren muss, dass er eingeschlafen sei, bevor es zu mehr als Knutschen („Das war schon fast ne Organspende“) kommen konnte. Zum Schluss sitzt er am Bühnenrand und formuliert zu Streichermusik den Satz: „Vielleicht ist das ein echtes Gefühl, das und verbindet. Einen Freund habt ihr in der Welt: euren Atze.“ Der ist zwar auch nur eine Kunstfigur, aber irgendwie passt das in die Zeit. Weitere Kultur-Nachrichten

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