Corona: Was bedeutet Homeoffice für Musiker und Schauspieler in Kiel?

Die ersten beiden Konzerte ihrer März-Tour hat die Kieler Rockband Tequila & the Sunrise Gang in Göttingen und Bochum noch absolvieren können. „Dann ging es ja relativ schnell“, sagt Sänger und Gitarrist René Unger, „das nächste wäre am Wochenende in Langenberg gewesen und das war dann auch der erste, wo der Veranstalter von sich aus abgesagt hat.“ Die Entscheidung seitens der Band sei dann ein „schmaler Grat“ gewesen. „Wir wissen, was für eine Kette dranhängt, wenn so ein Konzert nicht stattfindet - wie viele Leute darunter leiden. Für uns war das aber Anlass zu entscheiden: Wir müssen auch an uns denken, an unsere Familien, unsere Kinder.“ Tequila & the Sunrise Gang: Bandproben wegen Corona abgesagt: Für die restlichen sechs Tourstationen konnten Ausweichtermine zwischen Mitte Juni und Mitte September gefunden werden, kein Konzert fällt nach Stand der Dinge aus. „Unser Booker hat da wirklich einen tollen Job gemacht“, lobt Unger. Jetzt sei dann halt Zeit für Bürokram, jeder für sich bleibe einfach zu Hause, Bandproben seien abgesagt. Nicht alle bestritten ihren Lebensunterhalt mit Musik, dennoch sei es nun eine „organisatorische Gratwanderung, da will alles schon mit sehr viel Fingerspitzengefühl bewegt werden. Einige Ausgaben haben wir auf Eis gelegt, finanziell ist das schon gerade auf Kante genäht“, erzählt Unger. „Total schön“ sei das solidarische Signal an die Band gewesen nach deren Ankündigung, gekaufte Karten könnten zurückgegeben werden. „Viele haben geschrieben: Auch wenn ich an dem Tag nicht könnte, würde ich mein Ticket nicht zurückgeben.“ Georg Schroeter: "Vielleicht noch einen Monat überleben": Komponieren und gucken, wie’s weitergeht, sei nun laut Pianist Georg Schroeter die Devise für das umtriebige Kieler Blues-Duo, das er zusammen mit Bluesharp-Spieler Marc Breitfelder bildet. Am Freitag sei das vorläufig letzte Konzert in Hamburg gewesen, im Downtown Bluesclub, mit 50 Leuten noch „relativ gut besucht“. Online-Konzerte seien nun durchaus eine Option, „wir müssen ja spielen, wir können ja gar nicht anders“. Für den Lebensunterhalt seien die Konzerteinnahmen „auf jeden Fall relevant“, sagt Schroeter. „ Ich kann mit offenen Karten spielen: Marc und ich haben eine GbR, wir haben ungefähr 6000 Euro Fixkosten im Monat – mit unseren Gehältern, wir zahlen uns jeder 2000 Euro aus. Wenn das fehlt, können wir vielleicht noch einen Monat überleben. Wir haben immer von der Hand in den Mund gelebt.“ Seinen Job als Klavierstimmer mache er nur als Nebenerwerb, „aber wir sprechen da – wenn’s hochkommt – von sechs, sieben, acht Klavierstimmungen im Monat, das machen andere Kollegen am Tag“. Eine Soforthilfe für Künstler sei zwingend notwendig – „vielleicht einfach mal das bedingungslose Grundeinkommen einführen“. Florian Hacke: Momentan wieder Vollzeit-Papa wegen Corona: Das hält auch Florian Hacke für eine gute Idee. „Ich würde als Politiker die Ungunst der Stunde nutzen, um das Grundeinkommen direkt für sechs Monate als Projekt zu testen.“ Er bastle sich aber außerdem gerade eine Patreon-Seite, erzählt der Kieler Schauspieler, Comedian und Poetry-Slammer. „So was Ähnliches wie eine Crowdfunding-Seite, mit der man Künstler finanziell unterstützt, die man mag.“ Momentan sitze er zu Hause mit seinen beiden Kindern und seiner Frau, die seit Kurzem Lehrerin ist („drei Sekunden vor Uni-Schließung hat sie ihren Master bekommen“) und mache „einen Tag nach dem anderen mit so’m bisschen Galgenhumor in der Hoffnung, dass dieses Social Distancing funktioniert“, sagt Hacke. „Im Moment bin ich wieder Vollzeit-Papa.“ Denn mit zwei Kindern sei einfach die Zeit nicht da, an Programmen zu feilen. „Während die einen Klopapier und Nudeln hamstern, haben wir Tusche, Pinsel und Steckperlen gehamstert, damit wir nicht verrückt werden.“ Bis Mai fallen bei Hacke die Termine aus, neben Auftritten auch Dreharbeiten - Freitag sollte er für eine Serie vor der Kamera stehen. „Vorsichtig“ rechne er wieder mit Terminen ab September, Oktober. „Die, die jetzt ausfallen, sollen nachgeholt werden. Aber natürlich rennen da jetzt alle Künstler den Veranstaltern die Bude ein.“ Marc Schnittger: Rücklagen gebildet: Ähnlich sieht es Marc Schnittger. „Ich weiß nicht, wenn das erst wieder losgeht, wie das Hauen und Stechen dann abgeht.“ Bei aller Solidarität im Kollegenkreis merke er doch, dass jetzt jeder an sich selber denke. „Das ist dann die Kehrseite. Privat ist alles ganz toll, selbst mit den schlimmsten Feinden grüßt man sich auf einmal; aber was die berufliche Situation angeht, da schenkt einem niemand was.“ Er habe Glück gehabt und bis Anfang März gut gespielt, erzählt der Schauspieler, Puppenspieler und Figurenbildner aus Preetz. Drei Termine seien bei ihm für die nächsten Tage geplatzt („das geht, das ist jetzt nicht so viel“), zwei davon seien schon verlegt worden. Er könne das verkraften, habe Rücklagen gebildet, könne "zwei Jahre ohne Einkommen durchstehen, dann wird es schwierig“. Nun nutze er die Zeit, ein neues Stück zu machen, das er eh habe schreiben wollen. „Das ist jetzt meine Lage. Es gibt Kollegen, denen geht es viel, viel schlimmer.“ Weitere Nachrichten aus der Kultur lesen Sie hier.

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