Deutsch-Dänische Hommage: Daniel Carlberg probt mit Kieler Philharmonikern

Aus dem Konzertsaal am Kieler Schloss dringen tänzerisch flirrende Probentöne. Sie entstammen der Fantasie des dänischen Nationalkomponisten, dem das abgesagte Schleswig-Holstein Musik Festival eigentlich seinen diesjährigen Schwerpunkt widmen wollte: Carl Nielsen. Auch die Kieler Philharmoniker schauen im „Deutsch-Dänischen kulturellen Freundschaftsjahr“ 2020 nach Norden. Corona: Keine Chorsymphonie von Ralph Vaughan Williams: Kapellmeister Daniel Carlberg, der Stellvertretende Generalmusikdirektor am Theater der Landeshauptstadt, hat sich angesichts der Corona-Pandemie von seinem ursprünglichen Plan verabschieden müssen, eine große Vaughan-Williams-Symphonie mit Chor aufzuführen. Stattdessen nun weiterhin der Gruß nach Dänemark, wo der junge Nielsen mit seinem Opus Eins, der Kleinen Suite a-Moll, tatsächlich im Gewebe der Streicher das lichte und lockere Lebensgefühl „Hygge“ vermittelt. Drei Werke, drei verschiedene Aufstellungsformationen im Orchester: Das kontrastreiche Programm stelle drei verschiedene Anforderungen in der Besetzung. „Deshalb ist die Aufstellung dreimal komplett anders – und da müssen sich die Musiker tatsächlich erst daran gewöhnen, weil sie plötzlich ganz andere Kolleginnen neben sich hören als gewohnt“, so Carlberg. Im Zentrum stehen mit den Märchenbildern des angesagten dänischen Komponisten Hans Abrahamsen, Jahrgang 1952, dann 14 Minuten Neue Musik. Der Dirigent schwärmt von einem „sauschweren Stück“ für nur fünfzehn Spieler (fünf Streicher, sieben Bläser, Schlagzeug und Klavier): „Eine schillernde Welt von Rhythmus, Form und Farben, wo in einem Ozean der Klänge Fische aufzutauchen scheinen, die je nach Perspektive in unterschiedlichen Farben schillern.“ Daniel Carlberg: Endlich wieder "seelische Nahrung": Carlberg freut sich nach düsterer Zeit im Corona-Off über solche „seelische Nahrung“. Für das Oscar-Wilde-Ballett Das Bildnis des Dorian Gray übernimmt er demnächst den anspruchsvollen Klavierpart unter anderem in Kammermusik von Schostakowitsch. Außerdem soll er noch in diesem Jahr einen neu choreografierten Querschnitt aus den Tschaikowsky-Balletten dirigieren. Wenig Bezug zu Dänemark: Schönbergs "Verklärte Nacht": Mit Dänemark haben Arnold Schönberg und seine berühmte Tondichtung Verklärte Nacht wenig zu tun, auch wenn der Wiener Neutöner einst an der französischen Riviera mit Carl Nielsen zusammentraf, der hier erwählte symbolistisch-expressionistische Dichter Richard Dehmel in Blankenese (und somit im ehemals dänischen Altona) gestorben ist, oder der Komponist seine bald danach erdachten gigantischen Gurre-Lieder auf einer Burgruine in Nord-Seeland spielen lässt ... Schönbergs Kontrapunktik im Geiste Wagners: Das 1917 für Kammerorchester bearbeitete Sextett von 1899 strotze in noch gänzlich tonalem d-Moll „vor spätwagnerscher Kontrapunktik“, die Carlberg möglichst detailreich vermitteln möchte, in der „Klarheit“, die Schönberg sich wünschte. Dafür werden die Celli zwischen die geteilten Bratschen platziert, die Kontrabässe vor die Chorempore-Balustrade gestellt und die Violinen stereophon aufgeteilt. So sollen nicht nur Haupt- und Nebenstimmen differenziert, sondern auch die Perspektiven der Gedichterzählung vom bedrohlich „kalten Hain“ zur erotisch aufgeladenen „hellen Nacht“ deutlicher werden: „Wir versuchen“, so Carlberg, „der Stimme der verzweifelten Frau, der Ruhe des feierlich in D-Dur gekleideten Mannes und der objektiven Betrachtung durch den Erzähler jeweils atmosphärisch einen individuellen Tonfall zu verleihen.“ Die Daten der Konzerte: Philharmonische Konzerte am 25. Oktober um 11 und 17 Uhr, sowie am 26. und 27. Okt. jeweils um 19.30 Uhr im Kieler Schloss. Online-Einführung von Waltraut Lach auf dem Youtube-Kanal des Theater Kiel. Karten: 0431 / 901901. www.theater-kiel.de