Hamburger Kunsthalle zeigt Werke des Tänzers Vaslaw Nijinsky

Die Ausstellung Tanz der Farben - Nijinskys Auge und die Abstraktion im Hubertus-Wald-Forum der Hamburger Kunsthalle korrigiert dieses Bild ein für alle Mal.Sicher waren Nijinskys nimmermüde serielle Variationen obsessiv - aber das könnte man vielen (Konzept-)Künstlern attestieren. Nein, diese Schau mit über 200 Leihgaben aus der Sammlung von Hamburgs Ballett-Chef John Neumeier (darunter auch Fotografien, Figurinen, Plakate, Gemälde und Skulpturen vieler zeitgenössischer Künstler) führt nun eindrucksvoll vor Augen, dass der Ausnahmetänzer auch im Bereich bildender Kunst ein Avantgardist war; ein Visionär und virtuoser Wanderer zwischen der körperlichen und der geistigen Welt der Bewegung.Eben tanzten noch Edgar Degas' kleine Ballerinen auf dem s-förmig geschwungenen Podest durch das Hubertus-Wald-Forum, nun schlängeln sich Nijinskys eindringliche Farbmalereien traumwandlerisch zwischen den Werken seiner Landsleute Sonia Delaunay-Terk, Alexandra Exter, Vladimir Baranov-Rossinè, Lopold Survage sowie des Tschechen Frantisek Kupka hindurch. Eine kongeniale Inszenierung, die die auffallenden Ähnlichkeiten der Werke untereinander auf den ersten Blick erschließt. Wer hier wen beeinflusste, muss im Einzelnen erst noch ergründet werden, offenkundig ist nur die gemeinsame osteuropäische Tradition: Die starke Farbigkeit und die Kreisform, die schon in der Ikonenmalerei auftritt.Die fünf bildenden Künstler lebten und arbeiteten im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in Paris, schufen zum Teil auch Bühnenbilder und Kostüme für das gefeierte Ballets Russes, dessen Star der junge Vaslaw Nijinsky war: Sprunggewaltig, erotisch, provokant. Grenzgänger zwischen den Genres und den Geschlechtern. Mit seinem Auftritt am 19. Mai 1909, als Sklave in Le Pavillon d'Amide im Pariser Thèâtre du Châtelet, schlug er ein neues Kapitel der Tanzgeschichte auf. Seine Choreografien gelten heute als Beginn des modernen Balletts. Diese Radikalität, diese Abstraktion und visionäre Kraft zeigt sich auch in den 85 Buntstift-Zeichnungen, die zwischen 1917 und 1919 in der Schweiz, kurz vor Ausbruch der Schizophrenie, entstanden. Nijinsky hatte sich während des Ersten Weltkrieges mit seiner Frau Romola nach St. Moritz zurückgezogen, lebte auf engstem Raum, aller Auftritts-Möglichkeiten beraubt. Seine zu Augen, Masken oder Planetensystemen verdichteten Zeichnungen sind jedoch keine Bewegungs-Notate. Es sind vielmehr konzeptuelle Sequenzen, symbolisch aufgeladene Übertragungen von Tanzerfahrungen, in denen sich ein unerhörtes, fast metaphysisches Raumgefühl Bahn bricht. „Eine Entdeckung“, prophezeite John Neumeier. Er hat nicht übertrieben.

Hamburger Kunsthalle zeigt Werke des russischen Tänzers Vaslaw Nijinsky - Hamburger Kunsthalle zeigt Werke des Tänzers Vaslaw Nijinsky