Hamburger Siegerentwurf für die künftige Tribüne der Eutiner Festspiele

Hier geht es nicht nur um Platz für 1900 Zuschauer. Der Siegerentwurf im Realisierungswettbewerb für den Ersatzneubau einer Freilichttribüne der Eutiner Festspiele zeigt architektonische Qualitäten auch auf der Rückseite. Und die ist nicht unbedeutend im denkmalgeschützten Schlossgarten. Prof. Moths Architekten aus Hamburg setzen zwischen Eutins „Grünem Hügel“ und Seeufer einen Akzent mit einem „völlig neuen Ort“, der nicht nur zur Festspielzeit, sondern über das ganze Jahr ein Anziehungspunkt werden soll. Ein Panoramaweg über die Tribüne: Der in dieser Woche gekürte Sieger-Entwurf zeigt eine Tribüne, die mit ihren 1.900 Sitzplätzen als helle, filigrane und dennoch massive Sichtbetonschale quasi aus der natürlichen Umgebung auftaucht. Die Sitzstufen und Grünflächen, so heißt es in der Entwurfsbeschreibung, „verschmelzen“ in dieser elegant geschwungenen Form mit der angrenzenden Landschaft. Den äußeren Rand des sich bis in neun Meter Höhe wölbenden Tribünenrunds bildet ein Panoramaweg mit einer Aussichtsplattform, die zum Entdecken einlädt und einen schönen Blick hinüber zum Schloss bietet. Die Schalensitze werden, so der Entwurf, außerhalb der Saison demontiert, die großen Sitzstufen sollen mit ihrer Südausrichtung zum Entspannen und Verweilen einladen. Kulturerlebnis und historischer Ausblick: Gegenüber dem vor 45 Jahren errichteten, zumeist abgesperrten Tribünengerüst ist das ein ganz neuer Akzent im Geiste des englischen Landschaftsparks, der als bedeutendstes Gartenkunstdenkmal der Aufklärung in Schleswig-Holstein gilt. Die Seeseite des sensibel eingepassten Bauwerks ist geprägt von dem „philosophischen Gang“, der als historisches Gartenelement nun nicht mehr unterbrochen, sondern durch hölzerne „Seeterrassen“ sogar noch aufgewertet wird. In der Open-Air-Saison (nicht allein der Festspiele, sondern etwa auch des SHMF) werden hier zu Pausenzeiten Snacks und Getränke angeboten, das Kulturerlebnis wird um das direkte Erleben des Sees, der Natur und der historischen Ausblicke über die Bucht hinweg zu Schloss, Lindenallee und „Liebestempel“ erweitert. Architekt Uwe Schüler, Vorsitzender des 13-köpfigen Preisgerichts, zieht in diesem Zusammenhang einen Vergleich mit der Berliner Kongresshalle, der „Schwangeren Auster“: Unter dem geschwungenen „Dach“ sind am Panoramaweg Funktions- und Nebenräume angeordnet – die flache Fassade ist mit unbehandeltem Lärchenholz verkleidet: ein attraktiver Kontrast zum bisherigen Anblick, der eher an ein jahrzehntelanges „Provisorium“ erinnere. Lesen Sie auch: Das planen die Eutiner Festspiele für 2021 Sechs Entwürfe in der Eutiner Endrunde: Das „hybrid“ tagende Preisgericht hatte in dem von der Stadt Eutin ausgelobten Realisierungswettbewerb unter sechs Entwürfen zu entscheiden, die von Büros aus London, Paris, Berlin, Hamburg und Kiel stammten. Das Votum war letztlich eindeutig: Die Planung von Prof. Moths Architekten in Hamburg und Kooperationspartnern verwies einen Entwurf von DKFS Architekten London/Hürtgenwald auf den zweiten Platz. Nun sollte es mit den Feinabstimmungen schnell weitergehen – auch dieser Aspekt spielt in der Ausschreibung neben dem vor allem durch den Bundeszuschusss vorgegebenen Kostenrahmen von gut sechs Millionen Euro eine Rolle: Die Tribüne soll zwischen den zwei Festspielzeiten 2022 und 2023 schwungvoll errichtet werden. Den nun auch durch Corona gebeutelten Festspielen darf keine Spielzeit verloren gehen. Zur Eröffnung 2023 soll es dann Webers "Freischütz" und Bernsteins "West Side Story" geben. Überdachung nicht ausgeschlossen: Unter freiem Himmel. Ob später dann auch noch die Option für eine temporäre Überdachung gezogen wird, steht derzeit noch in den Sternen, die man in Eutin ja auch gerne über dem Bühnengeschehen sehen will. Doch berücksichtigt ist auch das im Siegerentwurf. Die ausgezeichneten Wettbewerbsarbeiten sind im Februar in den Schaufenstern des Gastropavillons der Opernscheune im Eutiner Schlosspark ausgestellt.