Kiel: Nach "Live aus der Vergangenheit" plant Sänger Erik Cohen Stadionrock

Musikalischer Dank an Joachim Witt“ steht in den Liner-Notes des neuen Albums. Der bezieht sich auf deine Coverversion von „Goldener Reiter“. Kennt er die? Und bist du ihm mal begegnet? Erik Cohen: Ich bin ihm nicht begegnet, aber wir haben es ihm zukommen lassen. Müssen wir auch, um ’ne Absegnung zu erhalten. Die kam postwendend. Seit wann zählt der NDW-Klassiker, den du jetzt erstmals in deiner Version im Studio aufgenommen hast, zu deinem Live-Repertoire und wie kam er einst auf die Setlist? Der anfängliche Gedanke war halt, einen deutschsprachigen Coversong zu integrieren, der einen gewissen Anspruch hat, eine gewisse Einfachheit in sich birgt, einen coolen Refrain hat und die Leute mitreißt, den jeder kennt und jeder kann ihn mitsingen. Und da sind wir auf „Goldener Reiter“ gekommen. Schockt! Warum überhaupt ein Cover? Das ist schon so ’ne Live-Geschichte, um den Stimmungspegel nach oben zu treiben. „Dreiklangdimensionen“ von der NDW-Band Rheingold hast du ja auch mal gecovert. Warum hat der es nicht aufs neue Album geschafft? Das haben wir ja schon mal gemacht, ist gut gelungen, davon gibt's ja auch ein Video. Das wäre dann witzlos gewesen. Und bei "Goldener Reiter" ist einfach der Bekanntheitswert größer. Gibt's noch mehr Coversongs bei dir oder nur die beiden? Nur die beiden. Wir covern schon mal so vor uns hin, haben uns schon mal an "Erschießen" von Ideal versucht. Hat noch nicht das rübergebracht, was wir rüberbringen wollten. Nicht einfach zu covern. (singt den Refrain an) "Komm, wir lassen uns erschießen, an der Mauer, an der Wand." Der hat so'n Punk-Drive. Aber ich schließe nicht aus, dass wir den irgendwann mal bringen werden. Das muss auch manchmal ein bisschen reifen. Immer mal wieder angreifen, immer mal wieder gucken, wie geht man am besten ran. Warum hast du die CDs strikt auf 1000 Exemplare limitiert und die LPs auf 500? Weil physische Tonträger keine Zukunft mehr haben? Die Verkäufe gehen ja schon extrem zurück. Ich mache das ja mit einem Partner, wir müssen da in finanzielle Vorleistung gehen und ich habe kein Interesse daran, danach auf Bergen von Plastikschrott zu sitzen – im Sinne der Umweltverträglichkeit. Das richtet sich vor allem an den harten Fan-Kern. Die Leute aus unserem Forum, die uns tragen, haben sich gewünscht, dass so was mal kommt, dass wir das mal live so aufnehmen, ohne Overdubs. Warum war so eine Retrospektive fällig? Eine Zwischenbilanz? Das Live-Set ist jetzt komplett. Es bietet genug Hit-Dichte, genug Spannung. Ohne in den Keller zu gehen, ohne die Leute zu langweilen. Ist jetzt auch ’ne Alben-Trilogie, der Abschluss einer Phase. Jetzt wird’s in eine neue, etwas andere Richtung gehen. Und die neue Richtung zeichnet sich schon ab? Wir werden uns in Richtung Stadion orientieren. (lacht) Im Ernst? Ja. Das ist jetzt nicht größenwahnsinnig gemeint, dass wir im Stadion spielen werden. Wir spielen eher auf dicke Hose und Aufpusten. Also das genaue Gegenteil von „Live aus der Vergangenheit“. Ist der logische Schritt, jetzt weiterzugehen und auf Richard Ashcroft oder Freddie Mercury zu machen. Erik Cohen ist das Pseudonym des Kieler Rocksängers und Songschreibers Daniel Geiger. Paralell ist er Frontmann der 1997 gegründeten Kieler Hardcore-Punkrockband Smoke Blow. 2011 begann Geiger, der fünf Kinder hat und im Brotberuf als Erzieher arbeitet, seine Solokarriere. Zwei Jahre später erschien die EP "Kapitän", 2014 das erste Album "Nostalgie für die Zukunft" - Beginn einer Trilogie, dem 2016 das Album "Weißes Rauschen" (Platz 74 der deutschen Charts) und 2018 das Album " III " (Platz 57 der deutschen Charts) folgten. 2016 und 2017 trat Erik Cohen beim "Hurricane Festival" im niedersächischen Scheeßel auf, 2018 beim "Wacken Open Air". Erik Cohen steht für treibenden, muskulösen, teils schwerblütigen Rock, den er "Doompop" nennt. Referenzen seien Bands wie Danzig, Type O Negative, The Sisters of Mercy, The Cult, Misfits, Joy Division und Alice in Chains. Da gibt’s auch schon Songs? Ja. Einen hab’ ich schon rausgebracht, vor einem halben Jahr. „Millionenstadt“. Wo wir es schon mal probiert haben in die Richtung. Daran arbeiten wir weiter. "Chrom", "Dirigent", "Fährwolf", "Hier ist nicht Hollywood" - wonach hast du die Songs für „Live aus der Vergangenheit“ ausgewählt? Fiel es dir leicht, die relevanten rauszupicken? Ja. Das sind die, die wir live am liebsten spielen, die am besten funktionieren. Die essenziell sind und die auch die Leute fordern. Es gibt noch einige andere nette Songs auf den Alben, die aber in diesem Livekontext nicht so gut funktionieren. Was unterscheidet die neuen Aufnahmen von den alten? Gibt’s andere Interpretationsansätze? Mehr Dynamik, mehr Druck? Bei „Mexikanische Lieder“ etwa kommt mir das so vor. Sind die Songs nachgereift? Als wir die Songs damals im Studio aufgenommen haben, waren die noch gar nicht komplett. Dann fängst du an, die Songs immer wieder live zu spielen und nach hinten raus weiterzuarbeiten, noch was einzubauen, so drauf rumzujammen. Die Songs sind organischer gereift und teilweise anderthalb, zwei Minuten länger als die Studioversionen. Die Studioplatten sind so mehr ich und mein Egotrip, die Liveplatte ist jetzt mehr so eine Bandgeschichte. Wie liefen die Studio-Aufnahmen im Kieler "Demolition Room" von Ulf Nagel? Ging da alles glatt, in einem Rutsch? Aufbauen, Mikrofone vorstellen, Aufnahmeknopf drücken - und los geht's! Möglichst "one take". Einmal kurz warmspielen und in einem weg. Der Gesang wurde nicht parallel aufgenommen, sondern im Nachhinein dazugespielt. Aber auch da war es so: one take, two takes maximal. „Unsere letzten Shows für längere Zeit!“, steht auf deiner Facebook-Seite. Eine Auszeit für die Arbeit an den neuen Songs? Genau. Wir spielen jetzt noch ein paar Konzerte – in den Städten, in denen es am besten funktioniert. Dann brauchen wir viel Ruhe, viel Zeit – und viel Bier. Das neue Album "Live aus der Vergangenheit" erscheint am Freitag, 22. November, auf dem Label RYL NKR Recordings im Vertrieb von Rough Trade. Live in Kiel zu erleben sind Erik Cohen und Band am Sonnabend, 14. Dezember, beim Konzert um 21 Uhr in der Kieler Räucherei (Preetzer Str. 35). Mehr aus KN-Kultur lesen Sie hier:

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