Kieler Buchhandel: Lichtblicke im Corona-Jahr

Ein bisschen sieht er sich tatsächlich als Krisengewinner, sagt Harald Mücke mit einem Augenzwinkern. Von einem deutlichen Jahresumsatzminus, wie es der Branchenmonitor für den Buchhandel gerade meldete, jedenfalls kann der Eigentümer der Buchhandlung Zapata am Wilhelmplatz nicht reden. Im Gegenteil: „Wir haben 2020 Plus gemacht“, sagt Mücke, „dabei kenne ich seit 20 Jahren das Gefühl kurz vor der Pleite zu stehen.“ Dem Erfolg konnte auch der zweite Lockdown mitten im Weihnachtsgeschäft ab 16. Dezember nichts anhaben. „An den beiden Tagen vor der Schließung haben die Leute gekauft und bestellt, als gäbe es danach keine Bücher mehr“, sagt Mücke. Und das neue Jahr lässt sich ebenfalls gut an: „Wir haben viele neue Kunden dazugewonnen.“ Hoffnung für kleine unabhängige Buchläden: Auch in der Stöberecke am Blücherplatz herrscht Betrieb. Anna Horst jedenfalls kommt gar nicht erst zum Reden, weil hinten das Telefon klingelt und vor der Tür der Buchhandlung, die sie mit ihrer Mutter Elke Horst-Düchting betreibt, gleich mehrere Kunden die bestellte Lektüre abholen wollen. Einbußen von 8,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr meldete die Branche für den stationären Buchhandel, 2,3 Prozent insgesamt. Aber so düster, wie Börsenvereinsvorsteherin Karin Schmidt-Frerichs angesichts dieser Jahresbilanz in die Zukunft blickt, sieht sie für die kleinen unabhängigen Buchläden in Kiel derzeit nicht unbedingt aus. Das kann auch Wolfgang Erichsen in der Dänischen Straße bestätigen: „Wir haben trotz Corona eine schwarze Null geschrieben“, sagt er, „Click und Collect wird sehr gut angenommen.“ Der Umsatz sei selbst im Lockdown vor Weihnachten noch „sehr ordentlich“ gewesen, und am Telefon haben der Buchhändler und sein Team auch jetzt gut zu tun. Zwar kann sich Erichsen auf seine Großkunden wie die Kieler Universität verlassen, „aber wir hatten auch einen sehr guten Sommer“, sagt er. Vor allem, dass Kiel und Schleswig-Holstein Corona-bedingt begehrte Urlaubsziele waren, hat sich bemerkbar gemacht: „Die Urlauber haben sich dann auch hier mit Lektüre eingedeckt.“ Gefühlte Vollbremsung: Nicht ganz so rosig blicken Hauke und Sonja Harder von der Buchhandlung Almut Schmidt in Friedrichsort zurück. „Der 16. Dezember war eine gefühlte Vollbremsung“, sagt Hauke Harder, „und jetzt ist es stiller als im letzten Frühjahr. Der enorme Zuspruch damals hat uns geholfen, den ersten Lockdown mit einem blauen Auge zu überstehen“. Seinen Jahresabschluss hat er noch nicht: „Das liegt alles beim Steuerberater. Wir sind doch mehr Leser als Händler.“ Aus finanziellen Erwägungen wird Harder wohl erstmal weniger Titel bestellen, hat auch schon Vertreterbesuche abgesagt. „Das bekommen ja auch die Verlage zu spüren“, sagt er und hofft, dass die ihre Neuerscheinungen weniger als Flut denn als Bächlein in den Handel bringen. Auch Harald Mücke sorgt sich um die Verlage: „Die Großen können nicht alle Bücher in den Herbst verschieben und sich damit selbst Konkurrenz machen. Und für die Kleinen wird es dann noch schwieriger, ihre Bücher unterzubringen.“ Für seine Buchhandlung ist der Verlagsoutput weniger bedeutsam: „Wir gucken nicht so auf Aktualität. Und es ist doch irre, dass Bücher, die vor einem halben Jahr erschienen sind, schon nicht mehr im Sortiment auftauchen. Stefan Heym und Anna Seghers bleiben ja wichtig.“ "Das Bewusstsein für das Buch ist zurück": Kleine Buchhandlungen, so Wolfgang Erichsen, seien flexibler als die großen Ketten, die der Lockdown härter getroffen hat. Schon im April-Börsenblatt bezweifelte Nina Hugendubel vom gleichnamigen Münchner Filialisten, der in Kiel mehrere Filialen hat, dass man den Stillstand dauerhaft aushalten könne. Derweil fühlt sich für Erichsen und Mücke in ihren Läden vieles an wie immer. „Die Kunden bestellen, wir liefern“, sagt Mücke, „nur das Stöbern und Entdecken fällt aus. Und das persönliche Gespräch fehlt. Aber bei uns läuft ja vieles gegen den Strich.“ Den direkten Kundenkontakt vermisst auch Hauke Harder. Etwas Positives aber kann der Buchhändler der Krise doch abgewinnen: „Das Bewusstsein für das Buch ist wieder da. Nicht für das E-Book, sondern für das Buch, das wir in Händen halten. Und diesen Umstand müssen wir nutzen.“