Kieler Kunsthalle: Neue Sammlungspräsentation im Zeichen von Anita Albus

Einhaarpinsel, millimetergenau hingezauberte Aquarellstriche oder punktgenau geschichtete Farbtupfer in Öl: Seit 2016 hütet die Kieler Kunsthalle dank der Karl-Walter Breitling und Charlotte Breitling-Stiftung als Dauerleihgabe den Werkschatz von Anita Albus. Der 80. Geburtstag der Münchner Malerin, Illustratorin und Autorin im kommenden Oktober ist für Kunsthallen-Chefin Anette Hüsch willkommener Anlass, die aktuelle Neupräsentation der Sammlung an deren Schaffen zu orientieren. „Wildes, Wüstes, Wunderschönes“ heißt die Depot-Ausstellung, die Kuratorin Dörte Zbikowski mit etwa 100 Werken im Obergeschoss präsentiert. Entzündet an den faszinierend schillernden Gefiedern von Käuzen, aber auch perfekt erfasster Flora aus Albus’ Garten sowie besonders frappierenden, weil in einer Art Aquarell-Schichttechnik gefassten Miniaturen als Titelbilder der vieldeutigen Wiegenlied-Sammlung „Eia popeia et cetera“ aus den 1970er-Jahren, wird die Natur von Albus ausgehend als Inspirationsquelle der Kunst thematisiert. Zbikowski hat die Themenanklänge sichtlich weit gefasst. Naheliegendes wie Stillleben und stimmungsvolle Landschaften aus unterschiedlichen Jahrhunderten stehen in zunächst elf Mottoräumen kühn gewählten Widerhaken gegenüber. Gleich beim Eintritt stolpert man über Anklage-Ikonen der Moderne, wenn etwa ein HA Schult 1974 die Vermüllung der Natur in seiner „Biokinetischen Hafenzone“ anprangert. Werke von Peder Severin Krøyers und Gerhard Richter zurück von Ausleihe-Reisen: Weiter hinten ergibt sich angesichts von Erich Heckels naturprall expressivem Ölgemälde „Blick auf die Förde“ von 1921 Gelegenheit, auch gleichzeitig die Rückseite dieses doppelseitigen Gemäldes („Zwei weibliche Akte auf blauem Sofa“ von 1910) sichtbar zu machen. Genauso freut es Anette Hüsch, dass mit Peder Severin Krøyers großformatigem Skagen-Strandbild und der fantastisch gebannten „Abendstimmung“ (1969) von Gerhard Richter endlich wieder zwei Hauptwerke der Sammlung zu sehen sind, die in letzter Zeit häufig international auf Ausleihe-Reisen abwesend waren. Lesen Sie auch Dauerleihgabe Kunsthalle Kiel: Mit Schöpfungsdemut und Albus’ Augen Anita Albus: Alchemistin des Lichts Angesichts der Darstellungspräzision von Albus’ Werken erscheint es nur konsequent, dass Zbikowski auch Fotoarbeiten in die Schau aufgenommen hat. Genau wie bei floral dekorativen Scherenschnitten von Philipp Otto Runge bedingt das Zeigen von Arbeiten auf Papier allerdings, dass sich die Ausstellung aus konservatorischen Gründen wandeln muss. Andere Fotos, andere Schnitte und andere Grafiken (von Arthur Illies, Christian Rohlfs oder Lili Fischer) werden im Laufe der Monate gehängt. Neue Bezüge machen dann vielleicht einen zweiten und dritten Besuch lohnend. Seit 2016 im Zentrum der Sammlung Kieler Kunsthalle: Arbeiten von Anita Albus: Neben Stimmungen und Detailversessenheiten gibt es natürlich auch schwelgerische Verlockungen wie einige Farbexplosionen von Emil Nolde (etwa „Dahlien und Rittersporn“ von 1928), Diskussionswürdiges (wie Noldes tendenziell antisemitische „Zinsmünze“ von 1915 zum Thema „Figur als Typus“) oder schlicht Hergesuchtes (Motto „Alltagswelten“) in Arbeiten von Günther Uecker oder Emil Schumacher. Trefflich der Rückbezug von Albus zu Künstlerinnen um 1900, den die kuratorische Assistentin Anna Elisabeth Widdecke in einem Raum herstellt. Der weibliche Blick offenbart auch eine aktuelle Schenkung für die Sammlung: das sehenswert skeptische „Mädchen auf Hiddensee“ stammt von der 1875 in Altona geborenen und 1964 auf Resenis am Westensee gestorbenen Porträtistin Bertha Dörflein-Kahlke. Kunsthalle Kiel. Sammlungspräsentation ab 19. Februar mit kleinen Änderungen und Erweiterungen bis 2023. www.kunsthalle-kiel.de. Di–So 10-18 Uhr und Mi 10-20 Uhr.