Konzert in Kie: Viel Applaus für Annett Louisan

Da steht sie auf der Bühne der Sparkassen-Arena, umgeben von ihrer Band, und strahlt das etwa 1200-köpfige Publikum an. Das Publikum, das sie nach weit über zwei Stunden mit Standing Ovations feiert, das vor der Bühne tanzt und immer neue Zugaben von ihr und ihrer formidablen Band ergattern möchte. Annett Louisan hat die Halle erobert mit ihrer unverwechselbaren Stimme, die so zartkehlig hauchen kann, aber dann auch überraschend kräftig aufziehen. Eine Stimme, die so angenehm unverwechselbar wirkt im sonst ziemlich gleichförmigen Chor der üblichen Deutschpop-Interpreten. Keine Angst vor dunkler Seite: Dazu kommt Louisans besondere Bühnenpräsenz und ein Charme, der sich aus ihrer entwaffnenden Offenheit und Selbstironie speist. „Mensch, Kiel, Ihr habt euch ja so schick gemacht“, freut sie sich zur Begrüßung mit Blick in die Zuschauerreihen. Die Künstlerin, bei der sich Journalisten schon mal zu Formulierungen wie „süße Blondine“ verstiegen, zeigt sich in ihren Songs und den unterhaltsamen Zwischenmoderationen gar nicht naiv-süßlich, sondern – trotz Schmelzstimme - als witzige, taffe, aber auch verletzliche Frau, die auch keine Angst vor dunklen Seiten hat. Louisan singt Hit "Das Spiel": Natürlich darf der Song „Das Spiel“ nicht fehlen, der Titel, der sie 2004 bekannt gemacht hat. Doch die Nummer kommt erst später, im Laufe des Abends. Denn die Wahlhamburgerin hat ihr neues Doppelalbum „Kleine große Liebe“ im Gepäck, und das ist so vielfältig und abwechslungsreich zwischen poppigeren Up-Tempo-Stücken und sanfteren, oft auch melancholischen Nummern, dass keiner vorzeitig nach alten Ohrwürmern verlangt. Musikalisch und inhaltlich fächert Louisan eine ordentliche Bandbreite auf. Electro-Pop ploppt auf, als sie den Titelsong anstimmt, der sich unverblümt auch zu den Affären eines Lebens bekennt und nicht nur schlagermäßig von der einen wahren Liebe fantasiert. Zwischen Ernst und angriffslustiger Ironie schwingt das Stück „Wir sind verwandt“, in dem die Bagage beim Familienfest nervt, wenn der notgeile Onkel einem auf den Busen starrt und ein anderer gar Judenwitze reißt. Prägnante Lieder auf neuem Album: Der großartige Hardy Kayser, der Annett Louisan bereits seit 15 Jahren begleitet, lässt dazu die Gitarre slidig ins Psychedelische gleiten. Louisans mädchenhafte Stimme passt perfekt zu dieser Mischung aus Pop, Chanson Noir und Psychedelic. Nicht jeder Song auf dem Doppelalbum ist gleich stark, aber das ist bei satten zwanzig Stücken auch nicht zu erwarten. Im Gegenteil: es überrascht, wie viele prägnante Nummern darunter sind, die mit der Unterstützung der großartigen Band mit zwei Gitarren, Keyboards, Bass, Cello, Akkordeon und Drums live noch mehr Raum bekommen. In Instrumentalpassagen mit prägnanten Soli zeigen die fünf Musiker ihr Können. Dennoch beherrscht Louisan ganz selbstverständlich die Szenerie. Auch die feinen, leisen Tönen überzeugen, wenn sie etwa im sehr persönlichen Stück „Meine Kleine“ ihrer alleinerziehenden Mutter einen Song widmet. So bekommt das Publikum eine volle Packung Louisan und Band, mit viel warmherzigem Humor und mit Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit gleichermaßen. Ein runder Abend.

Konzert - Viel Applaus für Annett Louisan in Kiel