Neuer Tanz im Kulturforum: Spiel mit Selfie und Selbst

Eine nennenswerte freie Tanzszene jenseits der Ballett-Compagnien am Theater Kiel und am Landestheater hat es in Schleswig-Holstein ja auch lange nicht gegeben. Ein Zustand, den Mark Christoph Klee, in Neumünster geboren und in Amsterdam zum Tänzer ausgebildet, ändern will. Dafür hat er das Tanz und Performance Netzwerk Schleswig-Holstein angestoßen, im vergangenen August mit Coralie Merle und Jasiek Mischke in der Stadtgalerie das Stück Not Now erarbeitet und einen Eindruck von den Möglichkeiten zeitgenössischen Tanzes gegeben. Spannend also, was sich hinter dem Titel Trial and verbirgt. Tanzen mit dem Handy: Erstmal toben die drei einfach über die Bühne, in spielerischer Dynamik einander rempelnd, umdribbelnd, verclusternd oder im Einklang der Bewegung selbstbewusst den Raum besetzend. Eine Szene irgendwo zwischen Clique und Kinderspielplatz; und immer ist dazu das Handy im Anschlag, tanzt auf die Gesichter zu, wechselt den Bestimmer, verdichtet und fragmentiert die Bewegung im poppigen Live-Video. Ein sprunghaftes Spiel mit Selfie und (Selbst)Wahrnehmung, das den Tanz von der Bühne ins Netz erweitert. Lustvolles Ausprobieren: Ein Spiel auch mit Versuch und Scheitern, ein lustvolles Ausprobieren, das im Nachstellen komplizierter Yogastellungen, die per Zufallsprinzip aus der Computergalerie gewählt werden, die nächste Ebene eröffnet. Das sieht erstmal nach Balgerei und komischer Akrobatik aus – und macht doch auch sichtbar, was Körperbeherrschung bedeutet und wie Bewegung entsteht. Acht Bilder spielt das Trio in dem 2019 auf Kampnagel in Hamburg uraufgeführten und jetzt in Neumünster und am Flensburger Theater Pilkentafel neu erarbeiteten Stück durch. Sie setzen Zeitlupe (Merle, Klee) gegen wirbelnde Bewegung (Mischke), liefern sich mutwillige Dance Battles (Merle, Klee), konfrontieren Wort und Bewegung. Und die damit verbundenen Geräusche werden neben dem treibenden elektronischen Beat zum Sound der Anstrengung und Motor. Wenn der Atem zum Sound wird: Jasiek Mischke, der anders als die Tänzer Merle und Klee von der bildenden Kunst und Spoken Word Performance kommt, konfrontiert die Zuschauer mit einer eher zwiespältigen Mitmachaktion mit Publikumsbelobigung und Manipulation. Aber jeder Versuch ist hier auch ein Ich-Versuch; und wenn Mark Christoph Klee rasant über die Bühne turnt, Laufsteg, Sportler und Tänzer zugleich, wird sein Atem zum Sound der Anstrengung. Zwischen Tanz und Performance loten Merle, Mischke und Klee die Aspekte des Versuchs aus, vermessen neben dem Raum auch die eigene Präsenz. Das Scheitern ist einprogrammiert als Chance für das nächste Experiment. Das ist das mal raffiniert, mal durchschaubar – und immer aufregend. „Trial and“ ist erneut am 3. Februar, 20 Uhr, in der Stadthalle Neumünster zu sehen.

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