„Nußknacker“ tanzt außer Haus

Nach dem Landestheater greift auch das Theater Lübeck angesichts zwangsläufig drohender Tarifanpassungen zu finanziellen Notmaßnahmen. Direktor Christian Schwandt bestätigte gestern unserer Zeitung, dass er bereits mit Wirkung zum 1. Januar eine entsprechende Kündigung im Kommunalen Arbeitgeberverband eingeleitet habe. Schwandt wünscht sich einen arbeitsrechtlich flexibleren Haustarifvertrag für die 333 festangestellten Schauspieler, Sänger, Orchestermusiker und Techniker bis zum Jahr 2016 und hat einen Notplan aufgestellt, um das mit 90prozentiger Auslastung sehr erfolgreich arbeitende Haus auf Kurs halten zu können. Der Hintergrund: Von den 16 Millionen Euro Zuschuss, die das Theater Lübeck pro Saison erhält (6,6 Millionen von der Stadt Lübeck, 9,78 Millionen vom Land), fließen derzeit allein 14 Millionen Euro für die ohnehin nicht hohen Löhne ab. Sollte es nun zu dem allgemein erwarteten Tarifabschluss im Bereich von 3,3 Prozent plus kommen, müsste Schwandt 2012 bereits 350.000 Euro und 2013 schon 600.000 Euro mehr auszahlen. Die Subventionen der finanziell schwer angeschlagenen Hansestadt sind jedoch eingefroren und auch das Land lehnt Erhöhungen ab – anders als bei anderen öffentlichen Institutionen. Die 2008 gebildete Gewinnrücklage von 340.000 Euro wird in der laufenden Saison aufgezehrt sein. Anders als das Theater Kiel, das sieben Tage die Woche durchspielt, hat das Theater Lübeck seine Vorstellungsfrequenz aus Spargründen reduziert: Gespielt wird nur noch von Donnerstag bis Sonntag. Nun erhöht das Theater Lübeck außerdem seine Eintrittspreise um satte zehn Prozent, um noch höhere Eigeneinnahmen zu erzielen. „Wir sind aber nicht im Ansatz insolvent“, so Schwandt, dessen Notplan nach seiner Auffassung funktioniert, wenn die Stadt einmal 150.000 Euro (2012) und danach jeweils 100.000 Euro jährlich zusätzlich zuschießt. Nach wie vor sieht er angesichts der bisherigen Sparanstrengungen und Erfolge aber auch das Land in der Pflicht, die Theaterszene Schleswig-Holsteins angemessen zu stützen. „Ich bin froh, dass die Diskussion jetzt noch vor der Wahl hochkocht. Da muss sich die Politik positionieren.“ Widerstand gegen die Pläne des Direktors signalisierten die Gewerkschaften und der Betriebsrat. Einmal mehr für Irritationen sorgte gestern Schwandts Ankündigung, in der kommenden Saison 2012/13 zeige das Kieler Ballett an 13 Abenden seine beliebte Nussknacker-Produktion im Lübecker Haus. Das hat seine Ballett-Sparte schon 1995 abgewickelt. Zum Vergleich: In Kiel steht das Stück in der Spielzeit 2011/12 insgesamt 20 Mal auf dem Spielplan. Die Idee einer Zusammenarbeit, so Olaf Roth, Pressesprecher des Theaters Kiel, gehe schon in die Zeit zurück, in der Kiels Generalintendant Daniel Karasek in Lübeck Die verkaufte Braut inszenierte. Damit werde außerdem auch ein Stück weit der politische Wunsch nach Kooperationen umgesetzt. Mit einer Theaterfusion Kiel-Lübeck habe das aber nichts zu tun. „Es ist völlig unsinnig, auf diesem Wege Theater retten zu wollen“, sagt Ralf Klöter, scheidender Kaufmännischer Direktor am Theater Kiel, und bestätigt damit das Wibera-Gutachten, das schon 1994 die wirtschaftliche Nutzlosigkeit des „Zwei-Städte-Modells“ bescheinigte. Das belegen auch die Beispiele der noch bestehenden, aber ständig an der Insolvenz entlang schrammenden Theatergemeinschaft Altenburg-Gera sowie der jüngst aufgelösten Fusion der Tanzsparte in Freiburg und Heidelberg. „Höchst unglücklich“ findet Klöter vor diesem Hintergrund die Verquickung der Kieler Ballett-Gastspiele mit dem Lübecker Notplan. „Wir sehen das nicht als Schützenhilfe in der Notlage, sondern rein angebotspolitisch.“ Auf das Ballett-Angebot in der Landeshauptstadt übrigens soll sich der Gastspieleinsatz nicht auswirken: „Das Ballett wird in Kiel so präsent sein wie gewohnt.“ Will man dabei allerdings im Tarifrahmen bleiben, ginge das nur, wenn das Ballett anderswo im Spielplan – beispielsweise im Bereich Operette / Musical – weniger eingebunden wäre. Offen bleibt auch die Frage, was Kiel im Gegenzug für die mehr als großzügige Leihgabe erhalten soll. Vehement widersprach Klöter gestern Schwandts Behauptung, das Theater Kiel werde dafür „eine Musiktheaterproduktion aus Lübeck übernehmen“. Könnten die Kieler Bühnen bei dieser Kooperation am Ende also noch draufzahlen? Die Fahrtkosten gehen laut Klöter auf das Konto des Lübecker Theaters und ein Teil der Lübecker Einnahmen soll nach Kiel zurückfließen. Für Lübeck sind das nicht die einzigen Ausgaben: Das Kieler Bühnenbild muss nachgebaut und die Ballettmusik mit eigenem Orchester einstudiert werden.

Theater Lübeck steigt aus dem Tarifvertrag aus, erhöht die Preise und kooperiert mit dem Ballett Kiel - „Nußknacker“ tanzt außer Haus