Poetry-Slammer Andy Strauß zeigte in Kieler Pumpe seine dunkle Seite

Doch bis es dazu kommt, vergeht mehr als eine halbe Stunde, denn Strauß lässt lieber seine Gedanken schweifen. Als er freie Plätze bemerkt, erzählt er von neulich zu spät erschienenen Gästen. „Das war okay, die waren tags zuvor auf Ketamin und haben mir ein Stofftier mitgebracht. Ein Wunschbärchi, sagten sie. Dafür war der Mund aber zu klein.“ Da hallt das erste Mal höhnisches Gelächter durch den Roten Salon. Der Text muss weiter warten und einer Beratung durch einen ehemaligen Bundeswehrfriseur weichen. „Keinen Pferdeschwanz, irgendetwas Veganes“, bittet Strauß und beantwortet anschließend eine SMS. „Bin jetzt bei Joyclub, einer Sex-Community.“ Improvisations-Chaos mit Methode: Das Improvisations-Chaos hat Methode, ist unterhaltsam und fester Bestandteil des Programms "The Dark Side of the Strauß". Dann endlich der Text. Darin fährt Strauß mit dem Zug durch das heimische Ostfriesland und Mutti hat die Reisetüte samt Desinfektionstüchern gepackt, dessen Umschlag Andy genau studiert. Aus dem Kleingedruckten geht nichts Gutes hervor und so können die Tücher, wie aufgedruckt angepriesen, wohl doch keine „idealen Begleiter“ sein. Typisch Strauß, er sucht nach Dingen, die kaum jemand bemerkt und hält ihnen – seiner Meinung nach – Zwecklosigkeit vor. Ein Plakat, das „Mutter-Kind-Kreativtanz“ bewirbt, missfällt ihm ebenfalls („Das Logo sieht aus wie vom Arbeitsamt“) und so denkt er darüber nach „die Leute zu mir nach Hause umzuleiten, denn solche, die da hingehen, die vermisst doch keiner.“ Lebenstipps und starke Prinzipien: Strauß hält oft kurz vor albern an, sinniert etwa über die Qualität seiner zwei bestellten Fanta-Korn und lässt, zur nächsten SMS, in Stein gemeißelte Sätze los: „Ich bekomme keine Erektion vom Nachrichtenlesen, außer ich schreibe sie selber.“ Oder gibt Lebenstipps, als er fast sein Getränk über das Equipment kippt: „Es ist kein Versicherungsbetrug, wenn man es glaubhaft erklärt.“ Hinzu kommen starke Prinzipien. Eine E-Mail-Anfrage hinsichtlich eines Online-Spot-Drehs für Huawei zerpflückt er Satz für Satz, gefolgt von der Antwort. Als Künstler fürchte er um seine Integrität, wenn er für eine Marke aus einem totalitären Staat wirbt. Und als Gage? Wie wäre es mit einer neuen Seele? Andy Strauß ist eben nicht so einfach beizukommen und sein Publikum geht lachend d'accord.

Slam-Poetry in der Pumpe - Die dunkle Seite des Andy Strauß