Schauspielhaus Lesung für Peter Rühmkorf

Gute Frage: Wie feiert man einen sprachmächtigen Dichter, der durch sein Werk wie auch durch seine Stimme unverwechselbar geworden ist? Bei dem sich für jene, die ihn live oder mittels eines Tonträgers gehört haben, beim Lesen fast automatisch ein bestimmter Klang einstellt? Die Veranstalter von Ansteckendes Pfeifen, der Hommage zum 90. Dichtergeburtstag, waren sich der Problematik sichtlich bewusst. Entsprechend führte Jan Philipp Reemtsma, der den Abend mit den Kieler Bühnen, der CAU und dem Literaturhaus Schleswig-Holstein ausrichtete, dann auch aus, dass Rühmkorf (1929–2008) zu jenen Autoren gehört hat, die es trefflich verstanden hätten, aus ihren eigenen Werken zu lesen – was man von Gottfried Benn nicht behaupten könne: „Da glaubt man kaum, dass er seine Gedichte selber geschrieben hat.“ Rühmkorfs andere Seite: Um die Bandbreite von Rühmkorfs Werk abbilden zu können, wurde daher auf Vielstimmigkeit gesetzt: 13 Autorinnen und Autoren waren auf der Bühne vor dunkelblauem Samtvorhang versammelt. „So viele wie noch nie“, staunte selbst Intendant Daniel Karasek. Gelesen wurden zumeist Gedichte (Dagmar Leupold, Arne Rautenberg, Doris Runge, Rike Scheffler, Jan Wagner, Feridun Zaimoglu), bisweilen ergänzt um Erinnerungen oder Assoziationen (Nico Bleutge, Mirko Bonné, Jochen Missfeldt, Dirk von Petersdorff). Doch auch Rühmkorfs „andere“ Seite war präsent: Daniela Danz und Marion Poschmann lasen aus poetologischen Werken, Ulrike Almut Sandig aus der Sammlung Über das Volksvermögen. So weit, so hervorragend. Möglichst ohne "Sargdeckelgeklapper": Stellt sich natürlich die Frage: Hätte der Abend dem Hochseil-Artistiker und Helium-Virtuosen Rühmkorf mitsamt seinen „aufgeblasenen Backentaschen der Hoffnung“ gefallen? Nun, das gewiss, zumal auch die autorentypischen Respektlosigkeiten zum Tragen kamen, die mögliches „Sargdeckelgeklapper“ in Grenzen hielten; der Reim „Adorno – Hardcoreporno“ etwa. Im Gedicht Hochseil schrieb er hingegen: „Ich schwebe graziös in Lebensgefahr / grad zwischen Freund Hein und Freund Heine.“ Das gilt auch posthum. Die fragile Balance weiterzutragen, ist den Beteiligten bestens gelungen.

Schauspielhaus - Lesung für Peter Rühmkorf