Staatsoper Hamburg streamt Massenets Manon mit Elsa Dreisig

Manon ist so etwas wie der Blaue Engel Frankreichs, die Lola auf Französisch. Was der Italiener Puccini ein paar Jahre später als Manon Lescaut in dramatisch pastosen Orchesterfarben malt, hat der auvergnatische Feingeist Jules Massenet schon 1884 für die Opéra comique in Paris mit viel leichterem Federstrich anhand der Prévost-Romanvorlage hingezaubert. Massenets Eleganz an Hamburgs Staatsoper: Und diese Leichtigkeit und Eleganz, die Psychologie und in Tönen schattierte Erotik ist in der Neuproduktion der Hamburgischen Staatsoper exemplarisch zu spüren. Und das, obwohl der Abend wegen des Corona–Lockdowns nur digital über den Bildschirm und aus Lautsprechern geistert. Chor verteilt, Orchester verkleinert, Sänger auf Abstand: Das atmosphärische Gelingen ohne Publikum ist keine leichte Aufgabe, zumal der Chor aufgrund von Hygieneauflagen im gesamten Zuschauerraum verteilt werden muss, das Philharmonische Staatsorchester die Partitur nur in einer künstlich ausgedünnten Besetzung spielen kann und die Sängerriege Liebesleid und -freud nur auf Abstand mimen darf. Massenet im Comique-Tonfall: Sebastien Rouland, im richtigen Leben Generalmusikdirektor in Saarbrücken, trifft aber trotz kleiner Wackler bei der Koordination mit dem Chor und ein paar Reibungen im gelockerten Instrumentalverbund das Entscheidende: den glitzernden Comique-Tonfall in der Offenbach- und Bizet-Nachfolge, das Quicklebendige oder innig Betrübte. Manon: Elsa Dreisig in Bestform: Die Oper um die junge Schönheit aus der Provinz, die im Luxus der Hauptstadt verglüht, steht und fällt mit einer glücklichen Besetzung der Titelpartie. Und Elsa Dreisig, spätestens seit dem Gewinn des Gesangswettbewerbs Neue Stimmen 2015 hoch gehandelt, bleibt der Manon weder stimmlich noch darstellerisch kaum etwas schuldig. Die franko-dänische Sopranistin, Ensemblemitglied in der Berliner Staatsoper unter den Linden, hatte mit ihr schon in Zürich aufhorchen lassen. Manons Tanz auf dem Vulkan: In Hamburg findet die erst 29-Jährige nach kleinen Überspannungen immer sprühender zu einem euphorisch belebten und doch fragilen, aber stets warm timbrierten Ton. Dabei meidet sie die Opferrolle, sondern lässt die junge Frau risiko- und selbstbewusst auf dem Vulkan tänzeln. Präzise Personenregie, starkes Sängerensemble: Das passt zur sehr präzisen Inszenierung von Burgtheater-Regisseur David Bösch, der sie wie eine Katze auf dem heißen Blechdach vorführt: begehrt, raffiniert, absturzgefährdet ... Die karge Ausstattung lässt im wahrsten Sinne Spielraum für das Liebes-Gerangel mit Des Grieux (wie überhaupt alle Partien sehr stilgewandt und leidenschaftlich besetzt mit dem Tenor Ioan Hotea ). Das falsche Geglitzer der demonstrativ heutig vorgeführten Pariser Smoking-Halbwelt macht den Drogenmissbrauch und die emotionale Verödung plausibel. Das ist sehenswert. Und hörenswert sowieso. Die Daten für den Video-Stream: Staatsoper Hamburg. Streaming unter www.staatsoper-hamburg.de ab 27. Januar, 18 Uhr, für 48 Stunden.