Ferien sind wunderbar – aber sie können auch ganz schön vertrackt sein. Da wird man rausgeworfen aus seinem schön geregelten Alltag, die Freunde sind plötzlich in alle Himmelsrichtungen verschwunden und die Kinder 24 Stunden täglich der Familie ausgeliefert. Gegen Langeweile helfen vier Bücher über jugendliche Helden, Urlaub und unverhoffte Wendepunkte im Leben.
Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess
Tess jedenfalls, das Mädchen, das Samuel in den Ferien auf Texel trifft, ist ganz schön anders. Groß, eigenwillig und sehr bestimmt. „Ich mag seltsam“, bringt sie die Sache auf den Punkt. Dabei ist sie bloß ein Jahr älter als der Zehnjährige, der da vor der Arztpraxis auf seinen Vater und den großen Bruder wartet. Und Tess scheint ihrerseits ganz gut ohne Vater auszukommen.
Aus dieser Begegnung entwickelt die niederländische Autorin Anna Woltz in ihrem Kinderbuch „Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess“ nicht nur die einfühlsame Geschichte einer Freundschaft. Sie erzählt auch, wie ihre beiden Helden Tess’ Vater auf die Insel locken. Das ist so herzzerreißend wie komisch. Die Autorin findet behutsame Worte und Bilder für die Lücken, die die Abwesenheit wichtiger Menschen im Leben der anderen hinterlässt.
Aprikosensommer
Von Töchtern und fehlenden Vätern kann man auch ganz anders erzählen: Deniz Selek verpackt das in „Aprikosensommer“ in den ganzen Herzschmerz, der die Teenie-Seele bewegt. Auch die von Eve, die mit ihrer Mutter in Berlin lebt und von ihrem Vater nur weiß, dass er Türke ist. Als ihr Freund Matteo sie verlässt, macht sie sich auf die Suche. Und schon bald finden sich Tochter und Mutter in Istanbul wieder, bereichert um eine türkische Großfamilie mit großen Herzen. Und weil Deniz Selek eine flotte (Ich-)Erzählerin ist, die Sinn hat für Romantik ebenso wie für die fragilen Familienbande, liest sich das weg wie ein schmelzendes Marshmallow.
Sturmgeflüster
Auch Tinka ist eine andere nach den Sommerferien auf Sylt. Dabei findet sie die Aussicht auf sechs Wochen bei Oma und Opa bei aller Liebe erst mal nicht so toll. Zwar leben die Großeltern der 16-Jährigen auf Sylt – aber nicht da, wo Sonne, Wind und Wellen die Surfer-Szene locken, sondern in Morsum, wo die Insel so gar nichts Glamouröses hat.
Wie Tinka dann gleich beim ersten Strandbesuch in die Kite-Surfer-Clique um Sven und Rettungsschwimmer Piet gerät und alles ziemlich aufregend wird für die Schülerin aus Berlin, das entwickelt Gabriella Engelmann in ihrem Roman „Sturmgeflüster“ zum leicht verdaulichen, dabei spannenden Inselabenteuer. Die erste Liebe, Kite-Surfer-Drama und Meerjungfrauen-Spökenkiekerei inklusive.
Die total irre Geschichte mit der Gitarre meines Vaters
Eine etwas andere Art von Ferien erlebt Rich in der „Total irren Geschichte mit der Gitarre meines Vaters …“. Der 15-Jährige landet per Zeitreise nicht nur mitten im August 1969 in Woodstock, wo sich Richie Havens gerade anschickt, das legendäre Hippie-Festival zu eröffnen. Er trifft auch zwei Brüder, von denen der Jüngere ein paar Jahre später sein Vater werden wird. Ganz schön schwierig, den Alten aus der Zukunft mit dem musikbegeisterten Jungen in Einklang zu bringen.
Jordan Sonnenblick lässt seinen Ich-Erzähler munter durch Zeiten und Gedankenräume schwirren. Der kommt dadurch sich selbst, aber auch einem tragischen Familiengeheimnis auf die Spur. Dabei übernimmt die Gitarre von Jimi Hendrix eine tragende Rolle. Der Umstand, dass der US-Jugendbuchautor, der selbst Gitarre und Schlagzeug spielt, daneben noch Platz findet, die ganze Woodstock- und Rockgeschichte zu erzählen, macht das Lesevergnügen dieses tiefgründigen, dabei gleichzeitig lockeren Romans komplett.
Von Ruth Bender