Sie lügen, brechen in Wohnungen ein, unterdrücken Beweismittel und manipulieren Zeugen: „Tatort“-Kommissare, Deutschlands berühmteste Vertreter des Rechtsstaats, treten das Gesetz oft selbst mit Füßen. Im Jahr 2017 begingen die TV-Ermittler durchschnittlich drei Rechtsverstöße pro Sonntag – und liegen damit auf dem Niveau von 2015. Der Rechtsverstoß der Kommissare gehört zur „Tatort“-Dramaturgie wie der Mord in der ersten Viertelstunde. Den Typus des überengagierten Fernsehermittlers gibt es nicht erst seit Panzerfaust-Kommissar Nick Tschiller. Er hat seit Horst Schimanski Tradition.
Im Dienste der Gerechtigkeit dürfen „Tatort“-Kommissare Wut oder Abneigung gegen mutmaßliche Täter freien Lauf lassen. Auch die Strafprozessordnung hat schnell das Nachsehen: Beispielsweise erfolgt fast nie eine Belehrung von Beschuldigten. Hinzu kommen unzulässige Hausdurchsuchungen oder Beschlagnahmungen, um nur einige der Rechtsverstöße zu nennen. Dabei bleiben sie oft folgenlos: Die Kollegen ignorieren sie – wenn sie sie überhaupt wahrnehmen.
Gewiss möchte der „Tatort“ keine normale Polizeiarbeit darstellen. Eine spannungsreiche Ermittlungsgeschichte darf übertreiben – und Zuschauer wissen das selbstverständlich. Dennoch bleibt die Darstellung nicht ohne Folgen. Auch Krimikommissare prägen – ob sie wollen oder nicht – das Bild der Polizei. Vielleicht wäre einmal ein streng gesetzestreuer Ermittler eine Alternative? Dramaturgisch spannend könnte das auch sein – und angesichts der damit darzustellenden Bürokratie vielleicht sogar ein bisschen komisch.
Tobias Gostomzyk ist Professor Medienrechtler an der TU Dortmund.
Von Tobias Gostomzyk