Plötzlich flattern Geldscheine rund um den mächtigsten Mann des Weltfußballs. Der britische Komiker Simon Brodkin lässt (echte) Dollarscheine auf Sepp Blatter regnen. 20. Juli in Zürich. Die Fifa scheint auf dem Höhepunkt ihrer Krise angelangt.
Verschobene WM-Vergaben, Machtgerangel, festgenommene Funktionäre: Und dann muss sich der hilflos wirkende und der Realität entrückt scheinende Präsident, der auf massiven Druck hin seinen Abgang für Ende Februar 2016 angekündigt hatte, bei einer Pressekonferenz auch noch lächerlich machen lassen.
Skandaljahr der Sportverbände
Blatter im Geldregen. Verspottet. Jetzt kann es nicht mehr schlimmer werden – sollte man meinen. Und doch: Am Ende ist die Aktion Brodkins nur die Ouvertüre für das, was noch kommen soll. Das Skandaljahr der internationalen Sportverbände fängt erst so richtig an.
In Russland wird staatlich gestütztes Doping aufgedeckt. Bis auf Weiteres sind russische Leichtathleten vom internationalen Sport ausgeschlossen. Olympia 2016 in Rio könnte ohne russische Sportler stattfinden.
Selbst Deutschland muss sich von dem liebevoll gehegten Selbstverständnis der Saubermänner verabschieden. Mitte Oktober berichtet "Der Spiegel", dass die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 mutmaßlich mithilfe einer schwarzen Kasse gekauft wurde. Ausgerechnet das Sommermärchen, dieser Glückssommer, in dem die Deutschen in den Augen der Weltöffentlichkeit von Spießigkeit zur Lebensfreude fanden, bekommt tiefe Risse.
Was passierte mit den Millionen?
Im Kern geht es bei den Vorwürfen um 6,7 Millionen Euro, die der verstorbene ehemalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus dem WM-Organisationskomitee um Präsident Franz Beckenbauer vorstreckte, um – so die offizielle Version – den WM-Organisatoren im Gegenzug einen Organisationszuschuss in Höhe von 170 Millionen Euro von der Fifa zu verschaffen.
Wofür ist das Geld wirklich verwendet worden? Und was passierte mit den Millionen, als Dreyfus sie später zurückverlangte? Bis heute unklar – und weiterhin Gegenstand der internen Untersuchung beim Deutschen Fußball-Bund. Der Abschlussbericht wird frühestens im Februar erwartet.
Die Folgen der Funktionärsschlammschlacht, die sich an die immer neuen Enthüllungen anschließt: Noch sind sie nicht vollständig abzusehen. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, zuvor Hoffnungsträger für höchste Ämter im Weltfußball, zelebriert wochenlang sein naiv-peinliches Nichtwissen über die damaligen Vorgänge und beteuert: "Das Sommermärchen war ein Sommermärchen und bleibt ein Sommermärchen." Als schließlich die Steuerfahndung bei ihm zu Hause vorstellig wird, tritt er doch zurück, "um den DFB und das Amt zu schützen".
Fußball-Kaiser im Zwielicht
Fifa-Boss Blatter und Uefa-Chef Michel Platini sind da bereits wegen einer dubiosen Millionenzahlung des einen (Blatter) an den anderen (Platini) von der Fifa-Ethikkommission für 90 Tage gesperrt worden. Dabei wollte Platini im Februar doch selbst Fifa-Präsident werden.
Schließlich verliert sogar der deutsche Fußball-Kaiser seinen Thron. Franz Beckenbauer, Lichtgestalt, sagt erst gar nichts zu den Vorwürfen, bei denen er als ehemaliger WM-OK-Präsident im Zentrum steht, dann redet er sich im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" um Kopf und Kragen. "Ich habe immer alles einfach unterschrieben, ich habe sogar blanko unterschrieben", sagt der 70-Jährige.
Olympia-Skepsis in Hamburg
Unter anderem hat er im Jahr 2000 kurz vor der WM-Vergabe nach Deutschland einen Vertrag unterzeichnet, der Jack Warner, lebenslang gesperrter ehemaliger Chef des nord- und mittelamerikanischen sowie des karibischen Fußballs, verschiedene Leistungen zusagt. Ein Bestechungsversuch, um Warner für die deutsche WM-Bewerbung zu gewinnen? Beckenbauer bestreitet das.
Viele Deutsche sind skeptisch geworden gegenüber Sportereignissen. Bitter für Hamburg, dessen Olympia-Pläne am Votum der Bürger scheitern. Das nächste Sommermärchen ist in weite Ferne gerückt.
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