Im Superheldinnen-Kostüm demonstriert sie auf britischen Straßen und im Internet gegen den Ausstieg Großbritanniens aus der EU. In Brüssel wird sie gar von einer Pressekonferenz geschmissen. Inzwischen ist Madeleina Kay eine Ikone ihrer Generation und kämpft für den Erhalt der Europäischen Staatengemeinschaft.
Niesel und Nebel: Es ist dieses Wetter, von dem viele sagen, es wäre der britische Normalzustand. Madeleina Kay steht in einem Superhelden-Kostüm an der Themse und ballt ihre Fäuste.
„The EU is about love and peace and tolerance“, sagt sie voller Überzeugung in einem Beitrag der Deutschen Welle. Bei der EU gehe es um Liebe, Frieden und Toleranz. Die 24-Jährige ist heute eine gefragte Anti-Brexit-Aktivistin und tingelt seit dem Referendum von Demonstration zu Talkshow zu Podiumsdiskussion.
Kostümiert für die EU
Im Juni 2016 entschieden sich 51,9 Prozent der Briten für den Austritt Großbritanniens aus der EU, vorwiegend ältere Menschen, viele Jungen gaben ihre Stimme nicht ab. Das Wahlergebnis sorgte für ein politisches und wirtschaftliches Erdbeben. Aktienkurse brachen zusammen und der britische Premier David Cameron kündigte seinen Rücktritt an. Auf den zahlreichen Anti-Brexit-Demonstrationen stellte sich vor allem die junge Generatione gegen den Ausstieg – so auch Madeleina Kay.
Sie hatte kurz nach dem Referendum den Song „I´m sorry, we left the EU“ geschrieben, im Netz hochgeladen und wurde daraufhin von den Liberaldemokraten auf eine Demonstration eingeladen. Ihre erste von vielen. Zur Superheldin wurde sie jedoch erst später – durch ihre junge Schäferhündin.
Sie war bereits von Anfang an immer dabei – gekleidet in mehrere blaue Flaggen mit den charakteristischen zwölf Goldsternen. „Als ich ihr das Flaggen-Kostüm angezogen habe, waren die Leute verrückt nach ihr. Da habe ich mir gedacht, vielleicht sollte ich mich auch verkleiden“, sagt Kay gegenüber der Zeit.
Als das Land eine Superheldin nötig hat, will Kay diese Funktion erfüllen: Mit rotem Umhang und einem blauen Anzug auf dessen Vorderseite – umrahmt von zwölf Sternen – ein großes „S“ (als Adaption des Comicklassikers „Superman“) prangt, versucht sie mit aller Kraft den Austritt abzuwenden.
Wenn sie nicht gerade als eben diese Superheldin unterwegs ist, arbeitet Madeleina Kay als Illustratorin und Schriftstellerin. Als solche nahm sie im Oktober 2017 auch an einem Blogging-Wettbewerb der Europäischen Kommission teil. Sie gewinnt und wird nach Brüssel eingeladen.
Dort präsentierte sie sich in ihrem „Supergirl“-Outfit und wurde bei der Pressekonferenz von dem Brexit-Beauftragtem der EU, Michel Barnier, und dem damaligen britischen Brexit-Politiker David Davis vor die Tür gesetzt.
„Das Sicherheitspersonal fand mein Kostüm wohl seltsam, dabei hatte ich überhaupt nicht die Absicht, die Pressekonferenz irgendwie zu stören“, sagt sie im Nachhinein. Dabei hat dieser Rauswurf ihr zu noch größerer Popularität verholfen. Der Hashtag „#EUSupergirl“ machte sie über britische Ländergrenzen bekannt und verschaffte ihr viele weitere Auftritte.
Mit einem Bus, den sie über eine Crowdfunding-Plattform finanzierte, fährt Kay durch Großbritannien und Belgien. Sie wirbt für ein neues Referendum auf ihrem Youtube- und Twitter-Kanal. Dort kritisierte sie auch, dass die „Remain“-Kampagne keine Hoffnung vermittle – gar den Verdruss in der Bevölkerung befördere. Der Kampagne fehle die positive Botschaft, denn statt um Liebe, Frieden und den Schutz des Binnenmarktes gehe es ihr zu oft um die Nachteile des Ausstiegs.
Next Step: Wahlen im Europäischen Parlament
Die Zeit bis zum 29. März, dem offiziellen Datum des EU-Austritts, will Madeleina Kay noch nutzen, um für ihre Vision von der Zukunft Großbritanniens zu kämpfen. Und selbst, wenn Großbritannien den Austritt besiegelt und Kay offiziell keine EU-Bürgerin mehr ist, plant sie, nicht aufzugeben.
Sie will weiter für das Konzept der Staatengemeinschaft kämpfen und junge Menschen von der Bedeutung der Wahlen im Europäischen Parlament überzeugen – weiter schrill, bunt und im Stile einer Heldin.
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Von Moritz Naumann/RND