Der Steuer-Deal wird zum Polit-Drama

Sie redet so schnell und so aufgeregt wie immer am Telefon. Aber nicht so schnell und so aufgeregt, wie man es erwartet hätte an einem Tag, an dem die Kommunalaufsicht den Daumen senkt und sich die Meldungen überschlagen. Susanne Gaschke, die wegen einer schmerzenden Bandscheibe derzeit von zu Hause aus um ihr Amt im Rathaus kämpft, hat sich offenbar genau überlegt, wie sie auf die unausweichliche Frage antwortet: „Nein, ich werde nicht zurücktreten. Dafür sehe ich überhaupt keinen Grund.“ Die Nachricht, dass die Kommunalaufsicht ihre Eilentscheidung in Sachen Steuererlass für rechtswidrig erklärt hat, ist da erst wenige Stunden auf dem Markt. Innenminister Andreas Breitner (SPD) wird zeitgleich eine Erklärung abgeben. Demnach ist die Kommunalaufsicht zu der Auffassung gekommen, dass Gaschke den brisanten Vergleich nicht alleine hätte entscheiden dürfen. „Wir sind der Meinung, dass eine Sondersitzung der Ratsversammlung möglich gewesen wäre“, erklärt Breitner. Doch statt die Selbstverwaltung zusammenzutrommeln, entschied die Verwaltungschefin, dass der Kieler Augenarzt Detlef Uthoff statt der seit Jahren fälligen Gesamtschuld in Höhe von 7,8 Millionen Euro nur 4,1 Millionen Euro in Raten von jeweils 80000 Euro zu zahlen braucht. Nun muss sie mit einem Disziplinarverfahren rechnen. Die möglichen Sanktionen reichen von einem Verweis im mildesten Fall bis hin zur Amtsenthebung bei einer schweren Verfehlung. Beendet ist die Arbeit der Kommunalaufsicht damit noch nicht. Weil die Frage der Eilentscheidung einzig die Oberbürgermeisterin betraf, widmeten sich die Rechtsexperten diesem Teil zuerst. Die rechtliche Prüfung des Steuererlasses inklusive der beihilferechtlichen Problematik folgt erst noch. Doch bereits das, was jetzt auf dem Tisch liegt, ist nicht gerade ein Ruhmesblatt für Susanne Gaschke. „Ich würde ihr zu Demut und Zurückhaltung raten“, kommentiert Breitner. Von Zurückhaltung will die Oberbürgermeisterin gerade jetzt nicht so viel wissen. Sie bläst zum Gegenangriff, weil sie sich als Opfer einer Intrige sieht. Die getreuen Genossen in der Rathausfraktion und natürlich auch ihr Mann, der SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels, haben bereits in den vergangenen Wochen über eine Kampagne der CDU und der Medien gezetert. Susanne Gaschke erweitert diesen Kreis der Bösen jetzt um Spitzengenossen ihrer eigenen Partei. Dazu gehört SPD-Landeschef Ralf Stegner, den sowohl mit Bartels als auch mit Gaschke eine besonders starke Form der gegenseitigen Abneigung verbindet. Aus Sicht der Oberbürgermeisterin gehört zu den Gegnern seit neuestem aber auch Ministerpräsident Torsten Albig. Seine SMS-Nachricht, die Susanne Gaschke am 17. September auf ihrem Handy empfing, ist für sie der Beleg, dass sich der Regierungschef persönlich in das laufende Verfahren der Kommunalaufsicht eingemischt hat. Dies sei ein Unding, findet Gaschke, die daran erinnert, dass es Stegner und Albig waren, die ihr eine Gegenkandidatin im Rennen um die Oberbürgermeister-Kandidatur vor die Nase gesetzt hatten. Offenbar hoffe man nun erneut, dass sie die Nerven verliere und hinschmeiße, argwöhnt die Oberbürgermeisterin, die auch gefährliche Vergleiche nicht scheut. Der Fall habe inzwischen „Kieler Qualität“ findet sie und denkt dabei an die Barschel-Affäre. „Hanebüchen“, findet das Albig, der auch vor rechtlichen Schritten nicht zurückschreckt. „So geht das nicht.“ Er habe sich zu keinem Zeitpunkt eingeschaltet, betont ein sichtlich verärgerter Ministerpräsident, der seiner unter Druck geratenen Parteifreundin nur einen „freundschaftlichen Rat“ geben wollte. Es könnte also noch ungemütlich werden. Denn Gaschke passt es nicht, mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Sie kündigt bereits an: Sollte die Kommunalaufsicht zu der Auffassung kommen, dass die Entscheidung auch in der Sache falsch gewesen sei, dann müsse auch Albig als ehemaliger Kämmerer und ehemaliger Oberbürgermeister viele Fragen beantworten. „Warum wurde nicht vollstreckt? Welche Rolle spielte die Bank?“, will Gaschke wissen. Und sie? Hat sie gar keine Fehler gemacht? Trotz aller Zweifel am Verfahren könne es sein, dass die Eilentscheidung nicht richtig war, räumt sie ein. „Dann werde ich die Ratsversammlung um Verzeihung bitten.“ Im Rathaus kreist unterdessen schon das nächste Gerücht. Uthoff, so heißt es, soll seine Ratenzahlung eingestellt haben. Doch Uthoff-Berater Karl-Heinz Steinkühler dementiert. Die ersten beiden Raten seien gezahlt. Die abgeschlossene Vereinbarung sei unumstößlich. „Und wenn, dann hat Frau Gaschke ein Problem und nicht Herr Uthoff.“

Kiel - Der Steuer-Deal wird zum Polit-Drama