Jürgen Koppelin FDP tritt nicht wieder für den Bundestag an

An der Bürowand lehnt ein Stapel gefalteter Umzugskartons. Auf dem Schrank steht allerlei Krimskrams, darunter ein Warnschild: „Vorsicht bei Gesprächen – Feind hört mit“. Jürgen Koppelin packt seine Sachen. Nach 23 Jahren ist Schluss mit dem Abgeordneten-Mandat. Zur Bundestagswahl im Herbst tritt der dann 68-Jährige nicht mehr an, der lange Zeit das Gesicht der Nord-FDP war, erst in Bonn und dann in Berlin. Vorsicht bei Gesprächen – die ist Koppelin fremd. Der Schleswig-Holsteiner ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen: nicht in der eigenen Partei, nicht in den Medien, gegenüber dem politischen Gegner sowieso nicht und auch nicht in eigener Sache. Seine Bilanz am Ende der parlamentarischen Karriere fällt selbstbewusst aus. „Ich gehe nicht gern, aber ich gehe zufrieden“, sagt er. Er habe in der Politik etwas bewegen wollen, und das sei ihm auch gelungen. „Es gibt vieles, von dem ich sagen kann: Das habe ich gemacht.“ Etwa das Aussetzen der Wehrpflicht. Die Urheberschaft für die überraschende Wende unter Schwarz-Gelb, von der nichts im Koalitionsvertrag steht, beansprucht Koppelin für sich. Als schleswig-holsteinischer Parteichef war er in der FDP einer der ersten, der für eine reine Freiwilligenarmee stritt. Dann wurde es Parteilinie. Die große Gelegenheit war da, als der frühere Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg kräftig bei der Bundeswehr sparen sollte. Koppelin berichtet, er habe Guttenberg als Haushälter den Tipp gegeben: „Radikal rangehen und die Wehrpflicht abschaffen.“ So sei es dann ja auch gekommen. Haushälter, das war Koppelin mit Leidenschaft. Dieser Ausschuss ist der mächtigste im Bundestag, er ist der Hüter des Geldes. Für Schleswig-Holstein habe er manches locker machen können, resümiert Koppelin – ob Geld für das SHMF, das Buddenbrook-Haus in Lübeck oder den Schleusen-Neubau in Brunsbüttel. „Politik ist Geben und Nehmen“, sagt der gebürtige Dithmarscher, der immer für einen Spaß oder eine Frotzelei zu haben ist. Das hilft. Über die Parteigrenzen hinweg hat er viele freundschaftliche Kontakte geknüpft, selbst in die Linke. Umso enttäuschter ist er von den Schleswig-Holsteinern in Berlin. Zusammenarbeit gebe es so gut wie nicht. Nicht einmal mit den CDU-Abgeordneten habe die sonderlich funktioniert. „Die haben uns als totale Konkurrenten gesehen.“ Ganz anders habe er mit CSU-Vertretern zum Wohle des Nordens kungeln können. Koppelin war Parlamentarischer Geschäftsführer und Vize-Chef der FDP-Fraktion. In die Regierung habe er nie gewollt. Als ihm 2005 der Posten eines Parlamentarischen Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium angeboten wurde, habe er abgelehnt. „Im Haushaltsausschuss konnte ich viel mehr bewegen“. Am besten sei die Zeit als Parlamentarischer Geschäftsführer an der Seite von Guido Westerwelle gewesen, schwärmt Koppelin. Überhaupt lässt er auf Westerwelle nichts kommen. In den vergangenen vier Jahren war er manchmal vom eigenen Laden gefrustet. Der umstrittene Steuerrabatt für Hoteliers, die Verlängerung der Atom-Laufzeiten, das strikte Nein zum Mindestlohn: Die Nord-Liberalen mit dem Gespann Koppelin in Berlin und Wolfgang Kubicki in Kiel waren dagegen. Erst galten sie als Spinner, dann wurde es zum Teil Parteilinie. Vielleicht sagt Koppelin deshalb: Bundestag war interessant, aber die Berufsjahre davor im Schallplattengeschäft und als Moderator einer NDR-Musikshow waren spannender. Noch immer hat er prominente Freude aus dieser Zeit. Im Wahlkampf plant Koppelin noch mal „volles Programm“. Mindestens drei Mandate für die Nord-FDP gibt er als Zielmarke vor. Nach der Wahl will er sich rar machen, nur noch den Ehrenvorsitzenden der schleswig-holsteinischen FDP geben. Ein beschaulicher Ruhestand zuhause in Bad Bramstedt und St. Peter-Ording steht aber nicht auf dem Programm. Universitäten in Bangkok und Hanoi haben den Ur-Liberalen bereits für Vorlesungen gebucht. Außerdem will der angehende Polit-Pensionär für das Fernsehen einen Krimi schreiben. An der Westküste soll er spielen.

Bundestag: FDP-Landesvorsitzender tritt nicht wieder an - Koppelin packt seine Koffer