Arbeitssituation: Stress treibt Krankenquote in Schleswig-Holstein in Höhe

Pflegekräfte, Erzieher, Paketboten: Corona hat ihre Arbeitssituation verschärft. Doch ein Gesundheitsreport der Barmer beweist jetzt: Diese Berufsgruppen waren in Schleswig-Holstein schon vor der Krise gesundheitlich am stärksten belastet. Die Auswertung der Krankenkasse zeigt bereits für 2019: Die Post- und Paketzusteller waren durchschnittlich an 35 Tagen krankgeschrieben – fast doppelt so viel wie die Beschäftigten im Schnitt (18,5 Tage). Bei Altenpflegekräften waren es 31,7 Tage. Es folgen Krankenpflegekräfte (27,5) sowie Reinigungskräfte und Kassierer (je rund 27 Tage). Für den Barmer-Landesgeschäftsführer zeigen diese Zahlen eine Überlastungssituation, die all diesen Berufsgruppen eine schlechte Ausgangsposition beschert hat: „Auch wenn noch nicht alle Zahlen vorliegen, gibt es Indizien dafür, dass sich die gesundheitliche Situation für diese Berufsgruppen in der Corona-Pandemie weiter verschärft hat“, sagt Bernd Hillebrandt. Schleswig-Holstein: Arbeitssituation in Pflege beeinträchtigt Mitarbeiter: Die Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein sieht sich bestätigt. „Pflegende sind deutlich häufiger krank als fast alle anderen Erwerbstätigen. Die Arbeitssituation in der Pflege beeinträchtigt die Gesundheit der Beschäftigten massiv. Das wiederum verschärft die ohnehin prekäre Personalsituation – vor allem in der Altenpflege“, sagt Kammerpräsidentin Patricia Drube. Der Teufelskreis aus schlechten Arbeitsbedingungen, hohen Krankenständen und Mehrbelastungen der verbleibenden Pflegenden müsse endlich durchbrochen werden. Manchmal entpuppt sich ein unauffälliger Befund erst auf den zweiten Blick als Problem. Das gilt besonders für das Kita-Personal, das zur Branche „Erziehung und Unterricht“ gehört. Diese liegt mit 20 Krankheitstagen im Jahr bereits über dem Durchschnitt. Wenn man näher hinschaut, zeigen sich innerhalb dieser Berufsgruppe sehr große Unterschiede. Hochschul-Lehrkräfte waren im Schnitt nur fünf Tage krankgeschrieben, Erzieherkräfte jedoch 23,3 Tage. OECD bestätigt Zahlen aus Deutschland: Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bestätigt in ihrer aktuellen Studie: Das Kita-Personal in Deutschland ist im Vergleich zu anderen Ländern einem hohen Stresspegel ausgesetzt. Es fühlt sich nicht genug wertgeschätzt, zu gering bezahlt und wird durch Personalmangel zermürbt. Ein Viertel der Beschäftigten erwägt demnach, sich wegen gesundheitlicher Probleme beruflich anders zu orientieren. Dies könne auf ein mögliches Burn-out-Risiko hindeuten, heißt es in der Studie. Die Daten der Barmer unterstützen das: In der Branche waren psychische Störungen mit 23,4 Prozent der häufigste Grund für Fehlzeiten. Lesen Sie auch: Krankenhäuser sollen OPs wegen Corona verschiebe n Bei den Lehrkräften sieht es auf den ersten Blick mit rund 16 Fehltagen gut aus. „Aber wir müssen davon ausgehen, dass die tatsächlichen Krankheitszeiten deutlich höher sind“, sagt Hillebrandt. Begründung: Lehrkräfte benötigten erst nach drei Tagen eine Krankschreibung. Würden sie in den Ferien krank, verzichteten sie meist komplett auf eine Krankschreibung. Vor allem seien sie oft gar nicht erfasst, weil nicht gesetzlich versichert. Gewerkschaft fordert Entlastung für Beschäftigte: „In Schleswig-Holstein ist im Gegensatz zu Hamburg immer noch keine gesetzliche Krankenversicherung für Beamte möglich, sondern nur die freiwillig gesetzliche, und die ist teurer“, sagt Astrid Henke, Landeschefin der Bildungsgewerkschaft GEW. „Arbeitsbelastung und Anzahl der Erkrankungen sind bei Lehrkräften, Erzieherinnen und Erziehern zu hoch. Hier braucht es sofort Entlastung.“ Auch Hillebrandt sieht die privaten, gemeinnützigen und öffentlichen Arbeitgeber in der Pflicht. „Gesunde Arbeitsbedingungen und Gesundheitsförderung sind Führungsaufgaben. Gemeinsam mit den Beschäftigten, mit Betriebsräten und Kassen sollten passgenaue Angebote zur Gesundheitsförderung angeboten werden – und zwar nicht für den Feierabend, sondern für die Arbeitszeit.“