Computersabotage: Schüler legte Server von Kieler Unternehmen lahm

Im August vergangenen Jahres bekamen die Kunden des Kieler Internet-Anbieters TNG die Folgen der Attacke zu spüren: Mehrere Tage lang geht das Netz von TNG in die Knie, die Dienste sind nur eingeschränkt oder gar nicht nutzbar. Betroffen sind Kunden im gesamten TNG-Verbreitungsgebiet, der Schaden ist kaum zu beziffern. Das Unternehmen zieht externe Spezialisten hinzu, um das Problem zu beheben und die Schutz- und Abwehrmaßnahmen zu verstärken. Lesen Sie auch: Cyberangriff gegen TNG sorgt für Störung Wohnungen der Beschuldigten durchsucht: Nun melden die Staatsanwaltschaft Itzehoe - in Schleswig-Holstein schwerpunktmäßig zuständig für Cyberkriminalität - und das Landeskriminalamt (LKA) einen aufsehenerregenden Ermittlungserfolg: Bei der Durchsuchung der Wohnungen von zwei Beschuldigten in Calw (Baden-Württemberg) und Soltau (Niedersachsen) wurden Datenträger und weiteres elektronisches Beweismaterial sichergestellt, das den Verdacht der schweren Computersabotage erhärtet. Anders als bei solchen Attacken üblich, haben die mutmaßlichen Täter in diesem Fällen offenbar keine finanzielle Forderungen gestellt. Beide Verdächtigen sind auf freiem Fuß: "Es gibt keine Haftgründe", sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Auch DKB-Bank war von den Angriffen betroffen: Innerhalb kurzer Zeit stießen die Ermittler auf weitere Angriffe im gesamten Bundesgebiet, für die das junge Duo verantwortlich sein soll. Da der erste Fall in Schleswig-Holstein gemeldet wurde, übernahmen LKA und Staatsanwaltschaft Itzehoe die Ermittlungen. Für Schlagzeilen sorgte vor allem die Berliner Bank DKB, bei der es 2019 und auch in diesem Jahr zu massiven Ausfällen des Online-Banking kam. Mindestens zwölf Fälle werden dem Duo zur Last gelegt: Insgesamt werden dem Duo mindestens zwölf Fälle zur Last gelegt. Dabei soll ein Gesamtschaden in siebenstelliger Höhe entstanden sein. Im Laufe der Ermittlungen gelang es den Cyber-Spezialisten schließlich, einen Angriff "live" zu beobachten und abzuwenden. Die jungen Männer sollen durch den Aufbau eines infizierten Rechner-Netzes ("Botnetz") sogenannte DDos-Angriffe (Distributed Denial of service) auf die Unternehmen gestartet und so Online-Dienste für Kunden zeitweise blockiert haben. "Distributed Denial of service" bedeutet übersetzt "Verteilte Verweigerung des Dienstes." Bei dieser Form der Cyber-Kriminalität werden die angegriffenen Server von einem weltweiten Netz infizierter Rechner so lange mit Datenpaketen beschossen, bis sie zusammenbrechen. 20-Jähriger soll Server angemietet haben: Der 20-jährige Beschuldigte aus Calw soll bei den Taten für die Anmietung sogenannter Command-and-Control-Server verantwortlich gewesen sein, über die sich die Schadsoftware steuern lässt. Nach Auskunft des LKA Schleswig-Holstein ist der 20-Jährige in der Vergangenheit bereits durch Computerbetrug polizeilich in Erscheinung getreten. 16-Jähriger bekannte sich im Netz zu den Taten: Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen hat sich der 16-jährige Beschuldigte aus Soltau unter Nicknamen in verschiedenen sozialen Netzwerken zu den Taten bekannt. Nach Angaben der Ermittler sollen die Taten durch Langeweile und Einsamkeit motiviert gewesen zu sein. Neben der Computersabotage wird dem 16-jährigen Beschuldigten auch gewerbsmäßige Erpressung vorgeworfen: Im April 2019 soll er zahlreiche Router von Telekommunikationsanbietern in Nigeria sowie von deren Endkunden lahmgelegt und für die Entsperrung Bitcoins im Wert von jeweils rund 100 Euro gefordert haben. Unklar ist, ob es weitere Täter gibt: Nach dem bisherigen Stand gehen die Ermittler davon aus, dass die Beschuldigten ihre Taten gemeinsam begangen haben. Ob und in welchem Ausmaß noch weitere Täter beteiligt waren, soll die Auswertung der sichergestellten Datenträger zeigen. Die Ermittlungen werden vom LKA Schleswig-Holstein zusammen mit dem BKA im Auftrag der Staatsanwaltschaft Itzehoe geführt. Das Dezernat Cybercrime und Digitale Spuren des LKA hat zusammen mit Ermittlerinnen und Ermittlern der Abteilung Cybercrime des BKA eine Ermittlungsgruppe eingerichtet. Die Leitung des Verfahrens liegt bei der Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Cybercrime in Itzehoe.