Coronafolge: Reisebusse in Schleswig-Holstein stehen sich kaputt

Seit Anfang November ist der touristische Verkehr wegen Corona wieder eingestellt, daran wird sich auch in den kommenden Wochen nichts ändern. Für die Reisebus-Branche ist das erneut ein harter Schlag. „Wir reden nicht von einem zweiten Lockdown, sondern der erste hat für uns eigentlich nie richtig geendet“, sagt Joachim Schack, Geschäftsführer des Omnibusverbands Nord (OVN). Der Verzicht auf Klassenfahrten, wechselnde Reiseverbote für Ziele im Ausland, die Absage von Großveranstaltungen – ein echtes Wiederhochfahren des Geschäfts sei gar nicht möglich gewesen. „Zur Hauptzielgruppe von Busreisen gehören zudem ältere Menschen, die gleichzeitig eine Hauptrisikogruppe sind.“ "Es drohen erhebliche Standschäden": Rund 600 Reisebusse gibt es in Schleswig-Holstein, davon ist nach Angaben Schacks ein großer Teil abgemeldet. Das ist für viele der rund 100 Busunternehmen nicht nur wirtschaftlich ein Riesenproblem, sondern auch technisch. Gerade moderne Fahrzeuge müssen regelmäßig über längere Strecken bewegt werden. Ist das nicht der Fall, so Schack, drohen „erhebliche Standschäden“. Auch ältere Busse können massiv leiden, wenn sie über Wochen nicht bewegt werden: Lager, Bremsen, Ventile, Riemen und andere bewegliche Teile vertragen keinen Stillstand. „Wir fahren die Busse alle zwei Wochen auf dem Betriebshof hin und her und lassen die Systeme einmal laufen“, sagt Dirk Ubben, der gemeinsam mit seinem Bruder Jan das gleichnamige Busunternehmen in Hohenwestedt führt. Doch längst nicht alle Firmen haben einen ausreichend großen Betriebshof. Und je kälter es wird, desto eher drohen Schäden. Moderne Busse sind besonders empfindlich: Für moderne Busse reicht eine Fahrt auf dem Hof ohnehin nicht aus, um fit zu bleiben: „Die Katalysatoren brauchen 30 bis 40 Kilometer bei mittlerer Geschwindigkeit, um richtig warm zu werden“, sagt Schack. Ansonsten droht vorzeitiger Verschleiß. Aus diesem Grund hat der OVN beim Verkehrsministerium in Kiel eine Ausnahmegenehmigung für das Nutzen roter Kennzeichen beantragt. Die werden im Normalfall nur für Überführungsfahrten ausgegeben. Man prüfe die Sache, heißt es im Ministerium. Die Lage wird immer bedrohlicher: Unterdessen wird die Lage der Branche immer bedrohlicher. „Wir müssen befürchten, dass viele Betriebe vom Markt verschwinden“, sagt Schack. Bei Hinnerk Ruser in Schönberg sind die Mitarbeiter seit März in Kurzarbeit, fast alle seiner zwölf Busse stehen abgemeldet auf dem Parkplatz. „Nur die zwei Schulbusse, die laufen noch“, sagt der Chef. Die Hilfen vom Bund hätten die Verluste absolut nicht auffangen können. „Wir haben ungefähr 40000 Euro bekommen, aber unsere Umsatzeinbußen lagen bei mindestens einer Million Euro.“ Viele Unternehmen gehen bei Hilfen leer aus: „Einige Unternehmen konnten von den Hilfen des Bundes profitieren und sind dafür sehr dankbar. Aber vorher gesunde Unternehmen, die gerade keine Finanzierung von Fahrzeugen laufen hatten, haben in die Röhre geguckt“, sagt Schack. Mischbetriebe kämen noch ganz gut über die Runden, weil der Linienverkehr weiterlaufe. Das Geschäft mit Vereinstouren und Klassenfahrten sei zum Erliegen gekommen. Auch Fahrten zu Christkindl-Märkten oder anderen Weihnachtsevents sowie Reisen über die Feiertage seien normalerweise ein großer Markt, dessen Wegfall fatale Auswirkungen habe. Branche kritisiert Schulträger: In Schleswig-Holstein hatte der Landtag den Vorschlag der SPD für eine landesweite Bus-Börse abgelehnt, mit deren Hilfe frei verfügbare Busse zur Entlastung bei Schülertransporten eingesetzt werden könnten. Schacks Kritik: Kreise und Schulträger nutzten das Angebot der Branche viel zu zögerlich. So seien dem Kreis Rendsburg Eckernförde 50 Busse angeboten worden – nur die Hälfte soll nun im Schülerverkehr helfen. 140 Busse stünden kurzfristig für Schüler bereit: Am Geld scheint es nicht zu liegen: Der Kreis stellt 496000 Euro zur Verfügung, um Entlastungsbusse einzusetzen. Bei Abrechnung auf Basis einer Pauschale fallen pro Bus Kosten zwischen 350 und 400 Euro an. Der Kreis Plön hatte kürzlich nach einer Überprüfung der Auslastung der Schulbusse keinen Änderungsbedarf erkannt. Laut Schack stehen landesweit noch immer rund 140 Busse kurzfristig für die Entlastung des Schülerverkehrs zur Verfügung. Dass man einerseits über geteilte Klassen und Fernunterricht rede, andererseits nicht alles unternehme, um mehr Abstand in Bussen zu erreichen, sei komplett unverständlich. Der Verbandschef erneuerte seine Forderung an das Bildungsministerium, sich für eine landesweit abgestimmte Einführung gestaffelter Schulanfangszeiten einzusetzen: „Dadurch ließe sich die Effizienz bei der Schülerbeförderung wesentlich verbessern.“