Coronavirus-Mutation in Eckernförde? Infektiologen beunruhigt die hohe Inzidenz

Prof. Stephan Ott, Leiter des Corona-Lagezentrums im Kreis Rendsburg-Eckernförde, fordert deshalb mehr Sequenzierungen, um Mutationen identifizieren zu können. Nach den erschreckenden Berichten aus Großbritannien und Bildern von überfüllten Krankenhäusern wächst auch in Schleswig-Holstein die Sorge vor der Mutante. Noch sind viele Frage zu B.1.1.7 ungeklärt. Doch die Erfahrungen in Südengland zeigen, dass die Mutation wahrscheinlich deutlich ansteckender ist als das ursprüngliche Sars-Cov-2-Virus. Die London School of Hygiene and Tropical Medicine schätzt, dass die Übertragbarkeit des Virus um 50 bis 70 Prozent erhöht ist. Außerdem weisen Studien darauf hin, dass Kinder und Jugendliche besonders empfänglich für die Variante B.1.1.7 sein könnten. Lesen Sie auch: Corona-Hotspot Eckernförde: Wird jetzt der Bewegungsradius eingeschränkt? Diese Ergebnisse lassen auch Stephan Ott aufhorchen. Denn sie passen zu dem jüngsten Infektionsgeschehen in Eckernförde. Dort liege die Sieben-Tages-Inzidenz aktuell bei 263 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern, und die Infektionen konzentrieren sich auf wenige Familien. Auch wenn das ein statistischer Wert ist, weil Eckernförde nur rund 22.000 Einwohner hat, deutet er auf eine neue Entwicklung im Infektionsgeschehen hin. Dass Viren mutieren, ist ein gewöhnlicher Vorgang. Auch bei Sars-Cov-2 sind bereits Mutationen bekannt. So hatte sich das Virus in Dänemark verändert, als es vom Menschen in einer Nerzfarm auf ein Tier übersprang. Als es dann beim Menschen gefunden wurde, wurden vier Millionen Nerze vergast, die betroffenen Gemeinden abgeriegelt. So sollte verhindert werden, dass sich das mutierte Virus verbreitet. Es wurde befürchtet, dass es in Wildtieren überlebt und dass die Impfung bei der Mutante nicht so wirksam sein könnte. Aktuell steht eine Virusvariante aus Südafrika im Verdacht, besonders ansteckend zu sein. Diese Mutation aus Südafrika ist vereinzelt in Großbritannien, Schweden, Frankreich und Finnland nachgewiesen. Das Robert-Koch-Institut erwartet, dass diese Variante auch in Deutschland auftreten wird. Datenlage zur Coronavirus-Mutation ist in Deutschland noch begrenzt: „Im Sommer und Frühherbst hatten wir auch immer mal wieder Infektionen in großen Familien. Damals steckten sich jedoch kaum andere Familienmitglieder an. Diesmal sehen wir, dass sich nach und nach alle Familienmitglieder anstecken“, erklärt Ott. Das könne auch an der Jahreszeit liegen, weil sich Familien jetzt eher drinnen aufhalten und enger zusammenrücken. „Es kann aber auch sein, dass wir es bereits mit der Mutante zu tun haben“, sagt der Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie. „Das zu wissen wäre interessant für die Bewertung.“ Deshalb habe er ein hohes Interesse daran, dass die Gen-Sequenzierungen, die zur Erkennung notwendig sind, deutlich ausgeweitet und auch in Schleswig-Holstein durchgeführt werden. „Die Datenlage in Deutschland zu der Mutation ist sehr begrenzt. Das müsste sich meiner Meinung nach ändern. Und im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein gibt es die Voraussetzungen dafür.“ Handelte es sich um die Mutante, müssten möglicherweise noch weitere Maßnahmen ergriffen werden. Bisher sind keine besonderen Einschränkungen für Eckernförde geplant, weil sich die Infektionen einigen Familien zuordnen lassen. Ob die Mutante in Schleswig-Holstein überhaupt schon angekommen ist? Dazu gab es gestern im Gesundheitsministerium keine klare Antwort. „Wir beobachten das“, hieß es. Serum Institut SSI in Kopenhagen: "Das ist eine ernste Entwicklung": Nachgewiesen wurde B.1.1.7 bereits in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Sachsen und Niedersachsen. In den bekannten Fällen waren die Infizierten fast immer aus Großbritannien zurückgekehrt. Dort war die Mutation erstmals im vorigen September identifiziert worden. Insgesamt soll sie inzwischen jedoch in sechs Bundesländern nachgewiesen worden sein. In Schleswig-Holstein ist der Weg für die Mutation besonders kurz. Denn in Dänemark wurde das Virus schon im November identifiziert. Beim Staatlichen Serum Institut SSI in Kopenhagen erklärt man, dass vom 14. November bis 2. Januar 14.000 Proben sequenziert wurden. In 134 Fällen habe man die Mutante gefunden. Abteilungsleiterin Rebecca Legarth betont aber: „Wir gehen davon aus, dass die reale Zahl der mit B.1.1.7 Infizierten etwa achtmal höher ist. Das ist eine ernste Entwicklung.“ Das SSI erwartet, dass bereits Mitte Februar die Mutante bei den Neuinfektionen dominieren wird. Lesen Sie auch: Corona-Bekämpfungsverordnung: Das gilt ab Montag, 11. Januar, in Schleswig-Holstein Schon bald sind deutlich mehr Corona-Impfungen möglich Schulen und Kitas im Lockdown: Das müssen Eltern jetzt wissen Aktuelle Zahlen und Grafiken: So entwickelt sich das Coronavirus Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. Zwar gehen britische und deutsche Virologen davon aus, dass die Erkrankung nicht schwerer verlaufe und dass auch die Impfstoffe dagegen wirken. Doch bewahrheite sich, dass diese Virusvariante deutlich ansteckender ist, gebe es dennoch ernsthafte Konsequenzen, heißt es beim SSI: Die Infektionskurve würde steiler ansteigen, und der Infektionshöhepunkt würde höher als bei den weniger ansteckenden Varianten liegen. Außerdem müsste ein größerer Anteil der Bevölkerung durch Ansteckung oder Impfung Antikörper entwickeln, bis die Herdenimmunität erreicht werde. In Deutschland wird bisher jede 900. positive Sars-Cov-2-Probe sequenziert – in Großbritannien ist es jede 15.