Fast sechs Prozent für SSW: SSW könnte Joker für Günther werden

Der SSW-Spitzenkandidat Lars Harms war am Sonntagabend ein gefragter Mann im Kieler Landeshaus, von einem Interview zum nächsten wurde der 57-Jährige durch die Flure geschleust. Nicht nur, weil der Südschleswigsche Wählerverband zuletzt in den 1950-Jahren mehr als fünf Prozent bei einer Wahl einfuhr, zog er so viel Interesse auf sich. Der SSW könnte noch zum Königsmacher für Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) werden, wenn es mit den ehemaligen Jamaika-Partnern nichts wird. Dass es wieder zur alten Dreierkonstellation kommt, gilt als unwahrscheinlich. Die CDU braucht nur einen Partner zum Regieren, bei einem Jamaika-Bündnis wäre eine weitere Partei das fünfte Rad am Wagen. 34 Sitze wird die Union künftig im Kieler Landtag füllen. Macht Günther allein mit der FDP gemeinsame Sache, kämen die beiden Parteien zusammen auf 39 von 69 Sitzen. Würde er mit den Grünen eine Mehrheit bilden, käme eine Koalition auf 48 Sitze. Harms: „Wir warten mal ab“: „Daniel Günther hat angekündigt, dass er zuerst Grüne und FDP einladen möchte. Wir warten mal ab“, so Harms. Er sei bereit zu Sondierungen. „Wir können regieren, wir können aber auch Opposition.“ Eine Koalition aus CDU und SSW würde auf 38 Sitze kommen. Auch der SSW-Landesvorsitzende Christian Dirschauer war einem Treffen mit der Union nicht abgeneigt. Zwar sei es am Wahlabend noch nicht der Moment, wo man eine Koalition schmiede. „Wenn man uns braucht, sind wir aber da. Wir sprechen gerne mit den anderen Parteien.“ Der SSW habe längst gezeigt, dass er aus beiden Positionen heraus etwas für die Menschen im Land erreichen könne. „Weil wir uns nicht an Ideologien klammern, sondern Politik in der Sache machen, pragmatisch und konstruktiv über Parteigrenzen hinweg um das bestmögliche Ergebnis ringen.“ Lesen Sie auch Ergebnisse zur Landtagswahl 2022 Schleswig-Holstein: Stimmverteilung, Gewinner und Verluste, Parteien, Sitze Wahlparty in der Wunderino-Arena: CDU feiert Daniel Günther wie einen Pop-Star Einen Konsens könnte der SSW mit der Union beim Weiterbau der A20 finden. Uneinig sind die Parteien sich allerdings beim LNG-Terminal in Brunsbüttel. Harms nannte die Pläne kürzlich „energie-, klima-, sicherheits- und finanzpolitischen Wahnsinn“. Auch wenn Günther den SSW nicht als Joker für eine Mehrheit im Parlament zieht, gehört die Partei zu den großen Siegern der Landtagswahl 2022 in Schleswig-Holstein. 5,7 Prozent der Zweitstimmen holte der SSW und wird damit künftig mit vier Abgeordneten im Parlament vertreten sein. 79.300 Schleswig-Holsteiner machten ihr Kreuz bei der Partei der dänischen und friesischen Minderheit. „Wir sind hammerfroh“, so Harms. „Wir waren die einzige Partei, die die kleinen Leute angesprochen hat, weil wir gesagt haben: Das Leben muss bezahlbar bleiben.“ Das sei bei den Wählerinnen und Wählern offenbar sehr gut angekommen. Zuletzt landete der SSW bei einer Landtagswahl einen ähnlichen Erfolg – im Jahr 1950 mit 5,5 Prozent. Genauso viele oder mehr Stimmen zu holen, gelang der Partei in den Folgejahren nicht mehr – bis jetzt. 2017 hatte der SSW bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein nur 3,3 Prozent bekommen, 2012 waren es immerhin noch 4,6 Prozent. Damals hatte die Partei mit SPD und Grünen eine Regierung gebildet – die sogenannte Küstenkoalition. Schon bei der vergangenen Bundestagswahl hatte der Wählerverband einen Höhenflug erlebt und mit Stefan Seidler war erstmals seit rund 70 Jahren wieder ein SSWler in den Bundestag eingezogen.