Flucht vor Wolf in Dithmarschen? Schafe prallen mit Auto zusammen

Die Schäfer im Kreis Dithmarschen kommen nicht zur Ruhe. Seit Wochen häufen sich Schafrisse in der Region. In den vergangenen Tagen habe es mehrfach Risse von Schafen im Kreis Dithmarschen gegeben, bestätigt das Landwirtschaftsministerium. In drei Fällen sei dabei ein Wolf mit der Kennung GW1430m als Verursacher dieser Risse nachgewiesen. Bei den anderen Rissereignissen stehen die Ergebnisse der DNA-Tests noch aus. Bei dem neuen Vorfall am Dienstagabend war eine Schafherde wohl aus Panik von einer umzäunten Wiese zwischen Kuden und Buchholz ausgebrochen und auf die L 139 gelaufen. Dort kam es zum Zusammenprall mit einem Auto. Marcell Kaminsky von der Bürgerinitiative "Wolfsfreie Dörfer" in Dithmarschen erfuhr nach eigenen Angaben in einem Whatsapp-Chat der Gruppe davon. Zusammen mit anderen Mitgliedern der Initiative sei er zur Unfallstelle auf der L 139 gefahren, um die rund 50 umherlaufenden Schafe einzufangen. "Der betroffene Schäfer hat in den letzten Wochen durch Wolfsrisse rund 30 Tiere verloren." Auch am Dienstag soll es laut Kaminsky tagsüber zu einem weiteren Riss gekommen sein. Ein Schaf sei getötet worden, sechs haben eingeschläfert werden müssen. Der betroffene Schafzüchter, der in den vergangenen Tagen immer wieder getötete Tiere auf den Weiden vorfand, wolle seine rund 1400 Tiere nun im Stall unterbringen. "Das kostet ihn wegen des zusätzlichen Futters rund 30.000 Euro", schätzt Kaminsky. Denn eigentlich könnten die Schafe noch zwei bis drei Monate auf der Weide stehen. Karte: Wölfe in Schleswig-Holstein – Sichtungen und Risse seit 2012 Unfall mit Schafen: Tiere überwanden wolfssicheren Zaun: Bei dem Unfall am späten Dienstagabend gegen 22.45 Uhr wurden nach Polizeiangaben zwei Schafe so schwer verletzt, dass sie eingeschläfert werden mussten. "Ein weiteres Schaf hatte so schwere Bissverletzungen, dass es ebenfalls getötet werden musste", teilte Polizeisprecherin Merle Neufeld auf KN-Nachfrage mit. Für Kaminsky steht fest, dass die Herde in Panik geriet, weil sich ein Wolf genähert hat. Auch die Polizei geht von dieser Ursache aus. Der Zaun war laut Kaminsky als wolfssicher gekennzeichnet. Menschen wurden bei dem Unfall nicht verletzt. Am Auto entstand Sachschaden in noch nicht bezifferter Höhe. Die L 139 zwischen Kuden und Buchholz war nach Polizeiangaben bis 0.30 Uhr gesperrt. Karte: Welcher Wolf tötete 2019 wo? Landwirtschaftsministerium erteilt vorerst keine Abschussgenehmigung: "Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Wir brauchen sofort eine Abschussgenehmigung für den Wolf", sagt Kaminsky. Zudem müsse der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen werden. "Das muss auch auf Bundesebene besprochen werden." "Für das Erteilen einer Entnahmegenehmigung liegen die Voraussetzungen derzeit nicht vor", heißt es aus dem Ministerium. Sollte sich jedoch herausstellen, dass ein Wolf Nutztierrisse mehrfach hinter wolfsabweisenden Zäunen vorgenommen habe, könnte eine weitere Entnahmegenehmigung erteilt werden. Die Risse der vergangenen Tage seien bis auf eine Ausnahme auf Flächen erfolgt, die mit keinem wolfsabweisenden Zaun ausgestattet gewesen seien. Erst nach mehreren Rissen und mehrfacher Aufforderung durch die Landesbehörden seien auf den betroffenen Flächen in den vergangenen Tagen erste Herdenschutzzäune installiert worden. Nach dem Aufbau der Zäune sei es bei den umliegenden Schafhaltern zu keinen weiteren Rissereignissen gekommen, teilte das Umweltministerium am Mittwoch mit. Kaminsky betont, wie schwer es für die Schäfer sei, diese Zäune aufzubauen. "Der Auf- und Abbau dauert mehrere Stunden." Die Zeit hätten die Tierhalter nicht. "Sollen wir die Zaunbaumaßnahmen nachts durchführen? Irgendwann muss auch der härteste Landwirt mal schlafen." "Sicherheitsrelevanter Vorfall" bei Begutachtung eines Rissereignisses: Die Situation vor Ort sei inzwischen angespannt, so Kaminsky. Am Dienstag hinderten einige Landwirte die Rissgutachter am Wegfahren, nachdem diese ein Rissereignis begutachtet hatten. "Rund 30 Landwirte parkten ihre Traktoren am Feldweg. Ein Geländewagen blockierte die Zufahrt zum Feld", sagt Kaminsky, der selbst vor Ort war. "Der Schäfer, bei dem so viele Risse waren, ist in einem emotionalen Ausnahmezustand." Er habe die anderen Landwirte gebeten, zu kommen. "Es wurde mit den Rissgutachtern laut diskutiert." Das Ministerium zieht nach dem Vorfall Konsequenzen und teilt mit: "Aufgrund eines sicherheitsrelevanten Vorfalls bei der Begutachtung des Rissereignisses vom Dienstag nahe Sankt Michaelisdonn musste zum Schutz der Rissgutachter die weitere Begutachtung auf dem betroffenen Betrieb bis auf Weiteres ausgesetzt werden." Es habe einen etwa einstündigen Polizeieinsatz gegeben. Das Ministerium berate mit den Sicherheitsbehörden das weitere Vorgehen. Politiker von FDP und CDU fordern Abschussgenehmigung: Unterstützung erhalten die Tierhalter in Dithmarschen vom Vorsitzenden des Agrarausschusses im Landtag, Oliver Kumbartzky (FDP): "Der sogenannte Problemwolf GW924m war ein Waisenknabe gegenüber dem Tier, das jetzt in Süderdithmarschen wütet." Kumbartzky fordert einen pragmatischen Umgang mit dem Wolf: "Sich auf Weidetiere spezialisierende Wölfe müssen meiner Meinung nach schnell und unbürokratisch geschossen werden." Für zielführendes Handeln sei die Aufnahme ins Jagdrecht unabdingbar. Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Volker Nielsen sieht dringenden Handlungsbedarf: " Dass der Vorgängerwolf GW924m nicht entnommen werden konnte, hat gezeigt, dass die bisher praktizierte Regelung sich als nicht erfolgversprechend erwiesen hat - in der Praxis sogar als absolut untauglich. Das wird höchstwahrscheinlich auch bei dem neuen Problemwolf in Dithmarschen nicht anders sein." Er werde nicht lockerlassen, an die Bundesregierung zu appellieren, sich auf europäischer Ebene für die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht einzusetzen. Eine Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht nütze den Schäfereien nicht, sagt hingegen Marlies Fritzen (Grüne): "Der Wolf bleibt streng geschützt und darf weiterhin nur in Ausnahmefällen geschossen werden. Sollte nachgewiesen werden, dass der aktuell in Dithmarschen aktive Wolf wiederholt geschützte Schafe reißt, wird darüber erneut zu entscheiden sein. Dieser Nachweis fehlt aber bislang." Probleme würden nicht durch Populismus gelöst, "wolfsfreie Gebiete" seien faktisch nicht zu realisieren. Von Julia Carstens und Jördis Früchtenicht Unsere Themenseite zum Wolf in Schleswig-Holstein finden Sie hier. Weitere Nachrichten aus Schleswig-Holstein lesen Sie hier.

Trotz gerissener Schafe - Minister will Wolf nicht schießen lassen