Gyde Jensen: Babys sollen mit in den Bundestag dürfen

Ihre Tochter Syster kommt, seit sie anderthalb Monate alt ist, regelmäßig mit ins Büro im Bundestag – auch bei Abstimmungen war sie bereits dabei. „Langsam, aber sicher kennen mich alle Saaldiener schon mit Kind. Teilweise bin ich selbstbewusst mit Syster reingegangen, bevor die namentliche Abstimmung eröffnet wurde. Oft bin ich dann aber aufgehalten worden, weil ich mein Kind auf dem Arm hatte“, sagt Gyde Jensen. „Ich werde dann beim Gang zur Abstimmung meistens mit Argusaugen verfolgt, bis ich mit dem Baby wieder draußen bin. Das ist ein unangenehmes Gefühl.“ Abseits von namentlichen Abstimmungen müssen die Abgeordneten sich vorher eine Erlaubnis vom sitzungsleitenden Präsidenten des Bundestags holen, damit sie ihr Baby mitnehmen dürfen. Jensen findet das zu umständlich. „Vor einer Abstimmung herrscht im Saal ohnehin immer ein großes Stimmengewirr. Ein Kind fällt da gar nicht auf. Ich würde ja nie ein schreiendes Kind mit reinnehmen.“ Ihrer Ansicht nach sollten Abgeordnete auch die Möglichkeit haben, eine Plenardebatte mit Kind im Saal zu verfolgen, ohne vorher auf die Genehmigung des Präsidiums zu warten. Auf dem Nachrichtenportal „The Pioneer“ hatte sie zuerst gefordert, Säuglinge im Plenum zu erlauben. Baby krabbelte auch schon im schleswig-holsteinischen Landtag: Ihr Mann Dennys Bornhöft sitzt für die FDP im schleswig-holsteinischen Landtag. Dort war seine Tochter ebenfalls schon zu Gast. „Im Landtag wird das nicht so strikt gehandhabt. Ich hatte Syster schon bei Fraktions- oder Ausschusssitzungen dabei, da ist sie durch den Schleswig-Holstein-Saal gekrabbelt. Das war kein Problem und hat niemanden gestört. Im Plenarsaal hat, glaube ich, noch nie jemand sein Baby dabei gehabt. Ich auch nicht, das war bislang nicht nötig“, sagt der 33-Jährige. In der Hausordnung des Landtags ist der Zutritt während der Plenarsitzungen geregelt. Babys würden in der Aufzählung der Personen, die daran teilnehmen dürfen, laut Sprecherin Vivien Albers unter die „sonstigen Berechtigten“ fallen, denen der Landtagspräsident den Zugang genehmigen kann. „Die Frage, ob Abgeordnete Kinder in den Plenarsaal mitnehmen können, hat sich in der Praxis aber noch nicht gestellt“, so Albers. In Thüringen gab es nach einer Klage der Grünen-Abgeordneten Madeleine Henfling bereits eine außergerichtliche Einigung dazu. Dort dürfen Abgeordnete Kleinkinder bis zu einem Jahr mitbringen, wenn sie die Sitzungen nicht stören. Jensen: Seit 2009 hat sich im Bundestag in dieser Sache wenig getan: Schon 2009 war die Baby-Frage ein Thema im Bundestag. Damals wollte die FDP-Abgeordnete Judith Skudelny ihre viermonatige Tochter mit zur konstituierenden Sitzung nehmen; Saaldiener verwehrten ihr den Eintritt aber mit dem Hinweis, dass das Baby kein gewähltes Mitglied des Parlaments sei. „Seitdem hat sich nicht wirklich viel verändert“, sagt Gyde Jensen. „Obwohl fraktionsübergreifend die Meinung herrscht, dass diese aus der Zeit gefallene Regel geändert werden sollte.“ Aber die Zahl der jungen Eltern unter den Abgeordneten sei klein, das Thema habe keine Priorität. „Einige finden, das Parlament habe andere Sorgen. Andere sind aus Prinzip dagegen, weil sie das Gefühl haben, das sei eine Feminismus-Debatte. Die denken, die jungen Wilden wollen eine Revolution im Bundestag anzetteln und mit ihren Kindern einmarschieren.“ Bornhöft: Politik sollte Vorbild für Familienvereinbarkeit sein: Niemand wolle den Bundestag zum Kindergarten machen, betont sie. „Es würde vielleicht nur einer Handvoll Politikern helfen, aber es hätte eine große Außenwirkung. Wir wollen doch ein modernes Bild von unserem Parlament vermitteln.“ Ein Vorbild ist Neuseeland. Dort übernahm im vergangenen Jahr sogar kurzerhand der Parlamentspräsident das Füttern eines Babys mit der Flasche, weil dessen Vater gerade eine Rede hielt. Bald kommt ihre zehn Monate alte Tochter in die Kita in Kiel, dann erledige sich das Problem erst einmal. „Es betrifft ja bei den meisten Abgeordneten nur einen kleinen Zeitraum“, so Bornhöft. „Wir können doch in der Politik nicht der Wirtschaft immer predigen, dass sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern soll, aber selbst kein Vorbild sein.“ Eltern teilen sich die Betreuung auf: Die Berufspolitiker wechseln sich bei der Betreuung ab. „Das ist ein hoher organisatorischer Aufwand. Eine Ausschusssitzung im Landtag sticht da zum Beispiel den Ortstermin der Bundestagsabgeordneten. Wir müssen uns da immer wieder einigen.“ Das seien aber Schwierigkeiten, die auch andere Eltern ständig haben. Logistisch sei der Wechsel zwischen Berlin und Kiel manchmal eine Herausforderung. „Aber es klappt gut. Wenn uns jemand unterstellt, wir würden nicht alles tun für unseren Job, reagiere ich empfindlich“, sagt Jensen.