Bastian Alm wollte das Klima schützen und nahm den Regionalexpress von Hamburg nach Kiel. Hier schildert er seine Erlebnisse:
In letzter Zeit frage ich mich immer öfter: „Was tust du eigentlich fürs Klima? Fahr doch mal mit der Bahn!“ Letzten Dienstag habe ich im Namen des Klimas Nägel mit Köpfen gemacht: Ich bin mit dem Regionalexpress von Hamburg nach Kiel gefahren. Was soll ich Ihnen sagen? Es war ein unvergessliches Erlebnis. Die Deutsche Bahn zieht alle Register, um attraktiver zu werden!
Ratespiel der Bahn: Von wo fährt der Zug?
Um die kurze, an sich eher unspektakuläre Fahrt ein wenig aufzupeppen, hatte man sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Am Bahnsteig wurde offensichtlich eine brandneue Spiele-App getestet, um die Wartezeit kurzweiliger zu gestalten. Die Fahrgäste wurden über die Anzeigetafeln dazu animiert, an einem interaktiven, kniffligen Ratespiel teilzunehmen.
Dabei sollte man die Informationsbausteine „Hamburg Hbf–Kiel Hbf“, „Abfahrt 16.22 Uhr“, „Zusätzlicher Halt in Hamburg-Altona“ und „Zugbeginn in HH-Altona“ logisch miteinander in Einklang bringen. Ich gebe zu, der Schwierigkeitsgrad war für den Anfang etwas zu hoch, sodass man schnell den Mut zum Mitraten verlor. Da muss die Bahn noch nacharbeiten.
Trotzdem war ich vom Konzept überzeugt. Ich wollte unbedingt die Lösung wissen. Man ist ja neugierig. Ein überaus charmanter Bahnmitarbeiter erklärte sich durch mein freundliches Zureden dazu bereit, mir unter der Hand die Lösung zu verraten: „Sie sehen doch, dass ich telefoniere! Da steht’s doch: Der Zug fährt nicht ab hier, sondern ab Altona! Nicht um 16.22 Uhr, sondern um 16.28 Uhr! Den Zug schaffen Sie eh nicht mehr!“ Ich schlug mir mit der Hand gegen die Stirn: „Dass ich darauf nicht selbst gekommen bin!“
Jetzt doch nicht Altona, sondern Hamburg-Hauptbahnhof
Um nun keine Langeweile aufkommen zu lassen, hatte sein Kollege sofort einen Tipp parat, um mich bei der Stange zu halten: „Bitte fahren Sie mit der S-Bahn nach Altona und nehmen Sie dort den nächsten Zug!“ Ich war von dieser geheimnisvoll klingenden Aufforderung spontan begeistert. Hatte das nicht etwas vom Brettspiel „Scotland Yard“ aus meiner Kindheit, bei dem man Mr. X mithilfe öffentlicher Verkehrsmittel zur Strecke bringen muss?
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Mir wurde sofort klar: Das Ganze war Teil eines Real-life-Unterhaltungsprgramms der Deutschen Bahn. Solch eine perfekte Inszenierung konnte sich nur ein mega-hippes Start-up aus Berlin-Mitte ausgedacht haben – und ich war dabei, wie cool ist das denn!
In Altona dann die nächste Überraschung: Der Zug, der kommen sollte, würde kommen, aber nicht dorthin, sondern woanders hin – nämlich zum Hauptbahnhof. Ich war beeindruckt. Eigentlich hatte ich nur mit einer langweiligen, rund einstündigen Fahrt mit dem Regionalzug gerechnet. Nun gab’s von der Bahn obendrein eine 45-minütige Stadtrundfahrt durch Hamburg. Ich bekam langsam ein schlechtes Gewissen, was ich für den einfachen Ticketpreis alles geboten bekam.
Wenn dann auch noch die letzten beiden Wagen nicht genutzt werden können
Zurück am Hauptbahnhof offenbarte das Entertainment-Konzept dann doch gewisse Schwächen. Es drohte, langweilig zu werden. Da kam, Gott sei Dank, die erlösende Durchsage: „Sehr geehrte Fahrgäste, die letzten beiden Wagen können aus Brandschutzgründen nicht besetzt werden, da die Türen nicht funktionieren!“
Meine bereits etwas lethargisch wirkenden Mitreisenden waren sichtlich erleichtert. Endlich konnten sie dem bereits um sich greifenden Bahnsteig-Blues entfliehen. Einige kamen derart in Schwung, dass sie sich etwas übermotiviert in die Gepäckablage vor dem eher mäßig gefüllten Abteil der ersten Klasse zwängten. Dabei wäre auf dem Dach noch jede Menge Platz gewesen.
Insgesamt war der Einfall mit den kaputten Türen in jeder Hinsicht ein voller Erfolg. Selten habe ich mich mir wildfremden Menschen näher gefühlt – und das trotz Ellenbogens im Rücken und Rucksacks vor dem Gesicht. Ein Duft vom Sommer lag in der Luft. Danke, liebe Bahn, dass du die Menschen in diesen rauen Zeiten einander wieder näher bringst.
Die Bahn und ihre Pünktlichkeit
Auch in puncto Pünktlichkeit war ich vollends überzeugt. Obwohl nur zehn Minuten Verspätung angesagt waren, kam der Zug sogar 17 Minuten zu spät. Das sind sieben Minuten mehr als erwartet. Wo gibt es heutzutage noch ein solches Preis-Leistungs-Verhältnis.
Nur über eins habe ich mich doch etwas geärgert: Während der Fahrt gab es immer wieder keinen Handyempfang. Aber dafür kann die Bahn ja nichts.
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