Hilfe von der Bundeswehr? So ist die Lage in den Gesundheitsämtern

In Neumünster ist die Arbeitsbelastung durch die Corona-Pandemie inzwischen derart hoch, dass die Stadt die Bundeswehr zur Hilfe gerufen hat. Deutschlandweit unterstützen Soldaten die Behörden bei der Nachverfolgung von Infektionsketten. Die Bundeswehr hatte insgesamt 5000 kurzfristig verfügbare Soldaten abbestellt. Weitere 10.000 sind binnen 30 Tagen zur Corona-Amtshilfe einsatzbereit. 330 Soldaten aus Schleswig-Holstein stehen zur Unterstützung bereit: Allein in den Verbänden, Einheiten und Dienststellen der Bundeswehr in Schleswig-Holstein werden 330 Soldaten und zivile Mitarbeiter vorgehaltenen, die mit einem Vorlauf zwischen 24 und 48 Stunden auch über die Landesgrenzen hinweg eingesetzt werden können. „Eine Ausbildung für die Tätigkeit in der Kontaktnachverfolgung erhalten die eingeplanten Soldaten nicht vorab, sondern werden nach Ankunft in den Gesundheitsämtern in ihre Aufgaben und eventuelle Besonderheiten eingewiesen“, so ein Sprecher des Landeskommandos. Weil das Pandamie-Management oberste Priorität hat, würden andere Aufgaben des Gesundheitsamtes seit Monaten vernachlässigt, so die Leitenden Amtsärztin in Neumünster, Dr. Alexandra Barth. Es handle sich allerdings um Aufgaben, bei denen ein vergleichsweise geringes Gefahrenpotenzial für die Bevölkerung besteht, wenn sie nicht komplett erfüllt werden. Definitiv fehle es an Personal. Um besser klarzukommen, hatte die Stadt Neumünster Verstärkung durch die Bundeswehr angefordert. Die sechs Soldaten in erster Linie den Telefondienst übernehmen. Lesen Sie auch: Gesundheitsämter am Limit Kiel: „Das ganze Haus ist mittlerweile Infektionsschutz“ : Das Gesundheitsamt der Stadt Kiel kommt noch ohne Bundeswehr-Hilfe aus. Die Behörde hat ihr Personal für den Bereich Infektionsschutz seit Februar verdreifacht, von 20 auf heute 62 Mitarbeiter. In Notlagen helfen zudem Kollegen aus anderen Bereichen oder Ämtern, sagt Sabine Herlitzius, Leiterin des Gesundheitsamtes in Kiel: „Das ganze Haus ist mittlerweile Infektionsschutz.“ Andere Aufgaben müssten derzeit auch mal liegenbleiben. Das Amt versucht wegen der derzeit schnellen Verbreitung des Coronavirus neue Mitarbeiter zu rekrutieren, allein in den kommenden Tagen stellen sich 30 Bewerber in Kiel vor. Darunter sind sowohl Ehrenamtliche und Medizinstudenten, aber auch ausgebildete Ärzte. Kontaktaufnahme dauert manchmal halben Tag: Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hatte kürzlich beziffert, dass angesichts der dynamischen Entwicklung weit über 10000 zusätzliche Helfer rekrutiert werden müssten, um die Infektionsketten nachverfolgen zu können. Um eine Kontaktkette über einen Tag nachzuverfolgen, seien fünf Mitarbeiter nötig. Vor allem Sprachbarrieren können die Kontaktverfolgung erschweren. „Da dauert die Kontaktaufnahme zu einer Person auch mal einen halben Tag“, so Herlitzius. Neben dem besorgten Blick auf das Infektionsgeschehen betont Kiels Gesundheitsdezernent Gerwin Stöcken zugleich die Fürsorge. „Wer seine Mitarbeiter über acht Monate unter derartiger Spannung hält, muss aufpassen, dass der ein oder andere irgendwann nicht mehr kann.“ Seit Beginn der Pandemie arbeitet das Gesundheitsamt auch an allen Wochenenden durch. Der Dienst sei freiwillig, die Bereitschaft und das Engagement aber gewaltig, so Herlitzius. "Grober Unfug": Stegner fordert Aus für Beherbergungsverbot Handel appelliert: Lassen Sie das Hamstern bleiben Absage oder Umplanen: Was wird aus der Weihnachtsfeier? Kreis Dithmarschen liegt über kritischen Inzidenz-Wert - jetzt gibt es Regeln So hoch ist der Inzidenzwert für Ihren Kreis bzw. Ihre kreisfreie Stadt An diesen Schulen und Kitas gibt es Corona-Fälle Hier gibt es 2020 in Schleswig-Holstein Weihnachtsmärkte Aktuelle Statistik: So viele Corona-Infizierte gibt es in Schleswig-Holstein Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. Segeberg stockt Personal weiter auf: „Im Moment gelingt es dem Infektionsschutz noch, alle Kontakte von Infizierten nachzuvollziehen“, sagt Sabrina Müller, Sprecherin des Kreises Segeberg. „Wir haben die Anzahl der Mitarbeiter vor Kurzem von 30 auf 40 Personen aufgestockt.“ In den kommenden drei Wochen sollen drei weitere Beschäftigte hinzukommen. „Etliche weitere Mitarbeiter aus anderen Bereichen der Verwaltung stehen auf Abruf bereit.“ Auch hier wird an den Wochenenden durchgearbeitet, dann sind rund 80 Mitarbeiter im Einsatz. Arbeitsbelastung in Plön stark angestiegen: Dass sie Arbeitsbelastung im Gesundheitsamt stark angestiegen ist, bestätigt auch Rebekka Merholz aus dem Kreis Plön. Neben der Kontaktnachverfolgung müssten sie schließlich auch die Einhaltung von angeordneten Quarantänen kontrollieren, Daten von Reiserückkehrern auswerten oder sich um Testungen kümmern. Das Gesundheitsministerium weist darauf hin, dass die Behörden dadurch entlastet werden, dass das medizinische Monitoring der Infizierten durch niedergelassene Ärzte der Kassenärztliche Vereinigung übernommen wird. Sie überwachten die Patienten engmaschig, das sich im Verlauf der Corona-Infektion schnell der Gesundheitszustand verschlechtern könne. „Derzeit können wir mit den vorhandenen Mitarbeitern sowie zusätzlichen Kräften, die innerhalb der Verwaltung zur Verfügung gestellt werden, die Kontaktnachverfolgung noch in vollem Umfang sicherstellen“, so Merholz. Aber diese Situation könne sich sehr schnell ändern. Ein Einsatz der Bundeswehr sei im Kreis Plön jedoch derzeit nicht geplant. Kreis Rendsburg-Eckernförde braucht noch keine Bundeswehr-Hilfe: Auch der Kreis Rendsburg-Eckernförde kommt noch allein klar. „Im Bereich Infektionsschutz arbeiten aktuell 26 Personen, davon 20 Kontaktermittler. Bis Dezember werden weitere zehn Ermittler dazukommen“, sagt Cora von der Heide. Es seien in den vergangenen Monaten zusätzliche Kräfte aus dem Arbeitsmarkt eingestellt worden – darunter auch Studenten. Weitere 20 Personen aus dem Gesundheitsamt seien in Reserve, die zurzeit andere Aufgaben übernehmen. In anderen Bereichen der Verwaltung seien rund 30 geschulte Kollegen, die bei Bedarf einspringen können. Sie würden nun nach und nach eingebunden, wenn es die Infektionszahlen nötig machten. Im angemessenen Verhältnis zum Anstieg der Infektionszahlen werden diese bereits geschulten Kolleginnen und Kollegen nun nach und nach in die tägliche Arbeit der Kontaktermittlung eingebunden. Von Anne Holbach, Thorsten Geil, Paul Wagner, Nadine Materne, Dennis Betzholz und Hans-Jürgen Schekahn