Ist alles wahr, was da drin steht?

Die Viertklässler begrüßen den Chefredakteur der Kieler Nachrichten mit einem Lied, in dem sie ihre Fragen singen. Und der Refrain des Liedes lautet: „Weil wir täglich Zeitung lesen, ist’s, als wären wir dabei gewesen.“ Doch weil der Redakteur ein miserabler Sänger ist, darf er die Antworten anschließend ohne Gesang geben. Trotzdem ist das eine ungewohnte Situation für den Zeitungsmann. Denn sonst ist er es, der die Fragen stellt. Heute Morgen sitzt er im Stuhlkreis, umgeben von 21 Viertklässlern und Klassenlehrerin Susanne Hamann. Und jeder und jede von ihnen hat sich in den Wochen ihres Projektes Leselust eine Frage ausgedacht. „Wie viele Zeitungen werden pro Tag produziert?“ Antwort: 100000 Exemplare. „Wie viele Menschen arbeiten für die Kieler Nachrichten?“ Etwa 400 in der gesamten Unternehmensgruppe, davon knapp 100 Redakteure. „Wann fangen Sie morgens an zu arbeiten?“ Um halb zehn. „Und wann haben Sie Feierabend?“ Um 20 Uhr, wenn nichts Weltbewegendes mehr passiert. „Ist das Ihr Traumberuf?“ Ja. „Und was gefällt Ihnen an Ihrem Job?“ Dass der Schreibtisch am Abend leer ist und ich am nächsten Tag wieder bei Null anfange. Der KN-Redakteur, der mindestens so aufgeregt ist wie die Schüler, fühlt sich mit jeder Antwort ein kleines Stückchen sicherer, als ganz unvermittelt eine Frage kommt, die ihn aufs Glatteis führt – ob gewollt oder nicht, spielt hier keine Rolle: „Ist alles wahr, was in der Zeitung steht?“ Erst Schweigen, dann die diplomatische Antwort: In den allerallermeisten Fällen ja, aber es gibt Fälle, in denen müssen sich Redakteure auf ihre Quellen verlassen, ohne hundertprozentig zu wissen, ob ihre Informanten die Wahrheit sagen. Dann gilt es abzuwägen: Erscheint die Information verlässlich? Kann ich sie überprüfen, indem ich einen oder zwei weitere Informanten befrage? Am wichtigsten aber ist: Der Leser muss sich auf seine Zeitung verlassen können. Deshalb müssen Informationen, die nicht gesichert sind, mindestens als solche gekennzeichnet werden. Der Redakteur glaubt, sich noch einmal gut aus der Affäre gezogen zu haben, da kommt noch so eine unangenehme Frage: „Wie kommen die Rechtschreibfehler in die Zeitung – es gibt doch Korrekturprogramme?“ Stimmt, kann der Redakteur da nur sagen und die Weisheit zum Besten geben: Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Aber eine Entschuldigung ist das nicht, das weiß er. Ach ja, am Ende dieser spannenden Unterrichtsstunde flüstert eine Schülerin dem Zeitungsmann noch ins Ohr: „Können Sie ein paar Rechtschreibfehler in Ihren Artikel einbauen?“ Wie, bitte? „Ja, für jeden Fehler, den wir in der Zeitung finden, bekommen wir eine Hausaufgabe weniger auf.“ Wenn das so isst...

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