Kieler Paar wohnt auf Segelyacht

Seitdem ihre Kinder nicht mehr mit an Bord wohnen, planen die beiden den Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt. Am 1. Mai wollen sie die Leinen lösen und in den Süden segeln. „Ob wir wiederkommen? Wir werden es sehen“, sagen sie. Die beiden haben einfach ihr Leben umgekrempelt – 2007 war das. Mit den Kindern aus vorherigen Beziehungen wollten sie ein Jahr lang raus, auf See. Dafür musste aber eine große, hochseetaugliche Jacht her. „Im Internet habe ich die ,Christine’ gefunden, die etwa 15 Jahre auf dem Schweriner See lag, und für 40000 Euro gekauft“, erzählt Doobe. Er ist Handwerker durch und durch und machte sich an die Arbeit, das Schiff für das Abenteuer auf dem Atlantik umzubauen. Sie zogen sofort an Bord und lebten im Plüschowhafen. 2008 segelten sie dann mit drei Kindern davon. „Wir haben uns bei der Deutschen Fernschule angemeldet, die Kinder haben auf See und vor Anker den Stoff gelernt“, erzählt Katrin Huck. Das habe sehr gut geklappt. Die Aufsätze und Arbeiten verschickte die Familie überall dort, wo sie sich frei ins Internet einloggen konnte. Nach der Rückkehr kamen die Kinder wieder gut in der Schule mit, sagt die 49-jährige Mutter. Die Zeit auf dem Schiff brachte den Kindern einen Entwicklungsschub. Nach dem Winter 2009 zog die ganze Familie wieder aufs Schiff. Doch je größer und älter die Kinder wurden, desto weniger Platz war da. Enno Doobe kaufte die neun Meter lange Jacht „Erna“. Das Familienleben fand auf der „Christine“ statt, wo auch die Kinder schliefen. „Die ,Erna’ war das Schlafzimmer von Katrin und mir“, sagt der 52-Jährige. Jeden Morgen schwappen die Wellen sanft an die Bordwand, kreischen die Möwen, blicken die beiden auf die Förde. Im Winter bollert der Kohlenofen und heizt den Salon mit Kochecke und die Eignerkabine mit komfortablen Doppelbett auf 30 Grad. „Das ist wunderschön hier, ein Beispiel für alternatives Leben“, sagt Enno Doobe. Katrin Huck kann sich nichts anderes mehr vorstellen: „Ich bin als Kind mit meinen Eltern viel gesegelt, allerdings immer auf der Ostsee. Ich wollte schon damals weiter weg.“ Als der Entschluss feststand, in wärmere Länder zu segeln, zogen die Kinder zu ihrem Vater. Die „Erna“ und aller Besitz, darunter Doobes Haus, wurden verkauft, versteigert, abgegeben. „Das ist mein Leben“, sagt der gelernte Landwirt und zeigt ein paar Blätter in Klarsichtfolie: Versicherungen, Kontodaten, Rentenbescheid. „Wir haben einiges zur Seite gelegt, werden aber nicht umhin kommen, unterwegs zu arbeiten“, sagt Huck, die ihren Beruf als Medizinisch-Technische Assistentin im Uni-Schlaflabor aufgegeben hat. Durch Doobes früheren Job bei Pädiko konnten sie günstig Lebensmittel kaufen, haben schon kiloweise Getreide und Müsli gebunkert. Die „Christine“ ist fix und fertig: Der Maschinenraum mit dem Lkw-Dieselmotor ist geputzt, Werkzeuge, Tauwerk und mehrere Segel verstaut. „Ich habe den Seezaun erhöht und spanne noch ein Netz, damit keiner über Bord gehen kann, auch wenn er bewusstlos ist.“ Radar, AIS, elektronische Seekarten, Überflieger auf Papier: Jeden Punkt auf dem Wasser können sie ansteuern. Mit dem Befehl „Leinen los“ am 1. Mai wollen die beiden alle Verflechtungen mit ihrem bisherigen Leben lösen. „Das befreit“, sagt der 52-Jährige. Zuerst motoren sie durch den Nord-Ostsee-Kanal und steuern Helgoland an, um ihren 1000-Liter-Tank mit steuerfreiem Diesel zu füllen. Dann geht es durch den Ärmelkanal nach Nordspanien, wo sie Ende Juni festmachen wollen. „Da treffen wir die Kinder, um mit ihnen die Sommerferien am Jakobsweg zu verbringen“, sagt Katrin Huck. Katze Lola, die sie 2007 auf Teneriffa aufgelesen haben, reist wieder mit. Wohin das Paar anschließend segelt, weiß es noch nicht. Es muss auf fast nichts verzichten: Mit Wind- und Solarkraft betreibt es Kühlschrank und Tiefkühltruhe, in einem Petroleumofen kann es Aufläufe machen. In der Nähe von Häfen oder großen Schiffen gibt es oft ein offenes Internet-Netzwerk, um Kontakt mit Kindern und Freuden zu halten. Gebadet wird im Meer, auf den Tisch kommt Fisch. Enno Doobe ist leidenschaftlicher Angler und studiert genau, wie die Einheimischen zu ihren Fängen kommen. Sie wollen viel ankern –Liegeplätze sind teuer. Mit kleinen Beibooten fahren sie in Häfen, um sich dort mit Wasser und Lebensmitteln zu versorgen. „Wann wir wieder kommen? Das ist nicht geplant“, sagen Katrin Huck und Enno Doobe. Sie freuen sich auf ihren Aufbruch. Sorge oder Traurigkeit ist ihnen nicht anzusehen. Sie sind ganz klar.

KN/SZ-Serie Wohnen in Schleswig-Holstein - Kieler Paar wohnt auf Segelyacht