Kitas in Schleswig-Holstein bis Ende Januar geschlossen

Wenn Paul seinen Kopf ganz dicht an die Fensterscheibe drängt, kann er die Kita Drei Könige in Kiel-Südfriedhof von seinem Kinderzimmer aus sehen. Seine Kita. Sie ist nur knapp zweihundert Meter von zu Hause entfernt, für den Vierjährigen aber gerade ganz weit weg. Am Dienstagabend stand fest: Kitas und Schulen in Schleswig-Holstein bleiben bis mindestens Ende Januar geschlossen. Das teilte Ministerpräsident Daniel Günther nach der Bund-Länder-Beratung zur Verlängerung des Corona-Lockdowns mit. Für viele Eltern, vor allem die, deren Kinder keinen Anspruch auf Notbetreuung haben, heißt es also weiter: Urlaub nehmen zur Kinderbetreuung, am Wochenende durcharbeiten oder Minusstunden aufbauen, weil Alternativen fehlen. Paul muss bis mindestens Ende Januar zu Hause bleiben: Auch der vierjährige Paul bleibt weiter zu Hause – mit seiner Mutter Ann-Katrin Ott. Die 38-Jährige arbeitet in der Buchhaltung in einem Geschäft in Kiel, seit Monaten ist sie in Kurzarbeit. Nur „wenn es brennt“, muss sie ins Büro. Wie Dienstag, als der Kassenabschluss für Dezember anstand. Ihr Sohn Paul war notgedrungen dabei, durfte auch auf der Tastatur tippen. Buchhaltung statt Basteln. Lesen Sie auch: So läuft die Notbetreuung in den Kitas Wie die Zeit ohne Kita für Paul ist? „Doof. Ich will wieder meine Freunde sehen. Mit Mama kann man nicht so gut toben.“ Das weiß seine Mama – doch sie gibt ihr Bestes. Für sich und andere Mütter stellte Ann-Katrin Ott eine vierseitige Liste mit „Bespaßungstipps“ für Kinder zusammen und verschickte sie per Mail. Kinderbetreuung im Lockdown: „Mama, du bist langweilig“: „Es gab Zeiten, da wusste ich nicht, was mich erwartet, wenn ich nach Hause komme“, berichtet ihr Partner Björn Becker, der im öffentlichen Dienst arbeitet. „Absperrbänder durch die ganze Wohnung, Parcours, Schleichtiere in der Gefriertruhe.“ Doch auch die Liste war irgendwann abgearbeitet. So war es ein Satz von Paul, der bei seiner Mutter hängengeblieben ist, der sie getroffen hat: „Mama, du bist langweilig“. „Der Alltag besteht aus den Versuchen, mein Kind glücklich zu machen, doch was die Kita leistet, können wir Eltern nicht auffangen“, sagt Ott, die Teil des Elternbeirats in der Kita Drei Könige ist. Paul brauche den Kontakt zu seinen Freunden, seinen Erzieherinnen, seiner Verwandtschaft. Es poltert. Lautes Gestampfe ist von oben zu hören. Auch den Kindern der Nachbarn fehle die Kita, sagt Ott. Paul quiekt in seinem Kinderzimmer. Er hat Spaß daran, den Lebensgefährten seiner Mutter beim Brettspielen zu ärgern. Als seine Mutter hereinkommt, umklammert er ihre Beine, versucht, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. „Soziale Kompetenzen entwickeln Kinder doch erst richtig, wenn sie sich mit verschiedenen Charakteren auseinandersetzen“, sagt Björn Becker, während er mit Paul um eine Gummischlange ringt. Doch aktuell sieht er fast nur Mama und ihren Partner. Unbezahlter Urlaub für die Kinderbetreuung: „Je länger die Schließung der Kitas anhält, desto mehr verliert Paul den Bezug zu den Erzieherinnen und Kindern“, sagt Ott. Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr habe sie zwei Wochen unbezahlten Urlaub nehmen müssen, weil Paul sich erst wieder an die Kita gewöhnen musste. Gleiches befürchtet sie nun wieder. Die Landeselternvertretung der Kitas in Schleswig-Holstein hatte vor dem „Corona-Gipfel“ gefordert, dass Kitas ab kommenden Montag den Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen wieder aufnehmen. Andernfalls müsse es finanzielle Unterstützung für die Familien geben, unter anderem durch zusätzliche von Land oder Bund finanzierte Urlaubstage. Lesen Sie auch: Lockdown, Situation an Schulen: So geht es in Schleswig-Holstein weiter Bewegungsradius eingeschränkt: Was das für Städte und Orte in Schleswig-Holstein bedeutet Aktuelle Zahlen und Grafiken: So entwickelt sich das Coronavirus Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. Zahl der Kinderkrankentage wird verdoppelt: Immerhin: Bund und Länder haben sich auch darauf verständigt, die Zahl der Kinderkrankentage in diesem Jahr zu verdoppeln. Die Regelung ist ausdrücklich nicht nur für den Fall einer Erkrankung der Kinder gedacht, sondern auch für den Fall, dass sie zu Hause betreut werden müssen, weil Kita oder Schule geschlossen oder nur eingeschränkt im Betrieb sind. Wann die Kitas wieder öffnen können, bleibt allerdings auch nach Dienstag unklar. Die Landeselternvertretung plädiert für einen Fahrplan bei der Öffnung der Einrichtungen, der sich an der Inzidenz ausrichtet. Yvonne Leidner, Vorstandsmitglied der Landeselternvertretung, fordert: „Eltern brauchen endlich eine Öffnungsperspektive, mit der wir alle leben können.“

Kitas in Schleswig-Holstein bis Ende Januar geschlossen - Eltern in Not